Florian Kern (rechts) hat mit George Pappas (links) und Tobias Stolle (Mitte) ein erfrischend gutes Restaurant aufgesperrt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Risotto mit Krautgulasch, Joghurt und knuspriger Chorizo verblüfft als ebenso gewagter wie stimmiger Gang.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Florian Kern wirkt noch jünger, als er ist. Es kann schon vorkommen, dass ihn Gäste für den Schankburschen halten und Lieferanten nach dem Chef fragen – seiner diskreten Freundlichkeit tut das keinen Abbruch. Der Mann hat offenbar noch Großes vor und sein erstes Restaurant kaum zufällig nach Ignaz Jahn benannt.

Der legendäre Hofkoch und Gastro-Multi des kaiserlichen Wien hat im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert zwei stilprägende Restaurants betrieben, eines davon in der heutigen Porzellanmanufaktur, schräg über die Straße im Augarten. Außerdem war er der Hoftraiteur, erste Adresse für Caterings in den Palais der Hocharistokratie, Ausrichter privater Bälle und Konzerte mit Künstlern von Mozart und Beethoven abwärts.

Die Performance, die in dem neuen, nach ihm benannten Lokal von acht Uhr morgens (mit einer extrem verlockend klingenden Frühstückskarte!) bis zwei Uhr früh abgeliefert wird, zeugt von durchaus verwandter Ambition.

An der Beleuchtung des neuen Lokals könnte aber noch geschraubt werden: Die Hängelampen verbreiten kalte Bleichgesichterstimmung und schaffen es auf unglückliche Art, zugleich diesig und grell zu wirken.

Elaboriertes Comfort-Food

Was die Plätze im Ignaz Jahn aber sehr begehrenswert machen dürfte, ist die Küche von George Pappas. Der Mann war schon Sous-Chef in Konstantin Filippous Weinbistro, zuletzt aber mühte er sich mit Käsknöpfle und süßem Erdäpfelsalat im einstigen Ü – dem Vorarlberger Vorgängerlokal des Ignaz Jahn – ab. Und wurde jetzt von Kern mitsamt dem Inventar übernommen. Wie eine logische Verkettung strategisch durchdachter Entscheidungen klingt das nicht gerade – dass die beiden dennoch zueinanderfanden, ist umso erfreulicher.

Pappas' Salat aus hauchdünn gehobelter gelber Rübe zum Beispiel, elegant, knackig, mit knusprig frittierter Topinambur, Speckchips, Brunnenkresse und köstlich reifem, gegrilltem Ziegenkäse oben drauf ist stimmig kombiniert, variantenreich und um 6,90 Euro fast geschenkt. Pastinakencremesuppe gelingt nicht minder gut, von wunderbar flauschiger Konsistenz und kraftvollem, geradezu parfümiertem Wurzelaroma, abermals klug kombiniert mit Sellerie, der mit Sardellen gebraten wurde, ein paar Tupfern Chili-Joghurt und Walnussöl – Comfort-Food der sehr elaborierten Art.

Das zusehends unvermeidliche Beef Tartar gibt es auch hier, Pappas hackt es jedoch von Hand und würzt vergleichsweise reduziert. Dafür kommen dünne, fast durchsichtige Scheiben hochreifen Hartkäses oben drauf, der erfreuliche Schubkraft entwickelt. Risotto mit Krautgulasch, Joghurt und knuspriger Chorizo (siehe Bild) klingt zwar hochgradig gefährlich, umso mehr verblüfft dieser ebenso gewagte wie stimmige Gang: der Reis souverän cremig und bissfest, das geschmorte Kraut wunderbar würzig und schmalzig, die Säure des Joghurts animierend, einzig die Chorizo im Wettstreit der Aromen fast zu schüchtern.

Knuspriger Kerbel

Auch bei den Hauptspeisen fällt die exakte Behandlung der Zutaten auf: beim knallgrünen, vor Frische geradezu berstenden Mangold zu einem geschmorten Schulterscherzel mit herrlich angeknusperter Kerbelwurzel ebenso wie bei den Sous-vide-gegarten und gegrillten Short Ribs voll satter Kraft und Wohlgeschmack. Geradezu hinreißend: das knusprig gebratene, duftige Zitronenrisotto zur Hendlbrust mit Pilzfrikassee und geschmorten Salatherzen. Die knappe Weinauswahl ist zwar klug zusammengestellt, angesichts solch tollen Essens würde man sich aber mehr wünschen. Dafür bleiben mit Augustiner Edelstoff und dunklem Weizen aus Andechs beim Bier keine Wünsche offen.(Severin Corti, RONDO, 23.2.2018)

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