Die bisherige Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, folgt auf den in Pension gegangenen Präsidenten Gerhart Holzinger.

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Wien – Es waren zwei besonders verhandlungsintensive Personalpakete, mit denen die Regierungspartner ÖVP und FPÖ so ihre Mühe hatten, um den koalitionären Frieden zu wahren. An diesem Mittwoch aber ist es endlich so weit: Im Ministerrat wurde nicht nur der der Regierung obliegende Teil einer größeren Personalrochade im Verfassungsgerichtshof (VfGH) fixiert, sondern – DER STANDARD berichtete – auch die von der Regierung zu nominierenden Uniräte werden formell nominiert. Von den 59 künftigen Uniräten waren 43 vorher noch nicht Mitglied in diesem Uni-Aufsichtsgremium, werden also von der neuen Regierung als ihre Vertrauensleute in die öffentlichen Unis entsandt.

Im Verfassungsgerichtshof sind aufgrund von Pensionierungen drei Plätze neu zu besetzen: Wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vor Beginn des Ministerrats bestätigte, hat sich die Regierung geeinigt. Demnach wird wie erwartet die bisherige Vizepräsidentin Brigitte Bierlein aufsteigen und VfGH-Präsident Gerhart Holzinger folgen, der mit Ende 2017 ausgeschieden ist. Bierlein wird die erste Frau an der Spitze des VfGH sein. Ihr folgt, ebenfalls via Ministerratsbeschluss, als neuer Vizepräsident Christoph Grabenwarter, seit 2005 mit einem ÖVP-Ticket Mitglied des Gerichtshofs. 2020, nach Bierleins Pensionierung, soll er zum Präsidenten gekürt werden.

Außerdem auf einem Regierungsticket in den VfGH einziehen soll auf Wunsch der ÖVP – und im Ministerrat mit Zustimmung der FPÖ – der Justizminister der vorigen Regierung, Wolfgang Brandstetter. Er gilt zwar als fachlich unumstritten, wird aber ob seines direkten Umstiegs aus einem Ministeramt ins Höchstgericht kritisiert.

Für die ebenfalls pensionierten VfGH-Mitglieder Eleonore Berchtold-Ostermann und Rudolf Müller durfte die FPÖ laut Koalitionsregie zwei Kandidaten vorschlagen, die sich aber vorher noch einem Hearing im Parlament stellen müssen.

Zwei müssen in ein Hearing

Denn zwei der drei neuen VfGH-Richter sind von National- beziehungsweise Bundesrat zu nominieren. Sie müssen sich am Freitag und am Dienstag dem Parlament stellen, für dieses Hearing um einen Job als VfGH-Richter haben sich insgesamt mehr als 40 Personen beworben. Auf blauen Wunsch sollen der schon länger als fix geltende Andreas Hauer, Professor für öffentliches Recht an der Universität Linz, sowie der Wiener Rechtsanwalt Michael Rami ins Verfassungsgericht einziehen. Der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt kommt aus der früheren Kanzlei von Dieter Böhmdorfer, der für die FPÖ unter Schwarz-Blau Justizminister war. Ernannt werden die neuen VfGH-Richter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Liste Pilz will Hearings boykottieren

Die Liste Pilz wird die nicht öffentlichen Hearings für die Verfassungsrichter boykottieren, kündigte Verfassungssprecher Alfred Noll am Mittwoch an. Dazu habe man sich "nach langer und reiflicher Überlegung entschlossen". Denn dass – wie medial kolportiert – die Nachbesetzung längst von den Regierungsparteien "akkordiert worden ist", schaffe "ganz schlechte Voraussetzungen" und sei "eine Herabwürdigung aller Bewerber", die zwei Hearings "reine Showveranstaltungen" und "reine Farce", sagte Noll: "40 Bewerber werden im Viertelstundentakt durchgeschleust."

"Niemand kann in dieser Zeit die Qualifikation der Bewerber in Augenschein nehmen oder gar beurteilen", konstatierte der Nationalratsabgeordnete und Rechtsanwalt. Die Zeit reiche hierbei zu nicht viel mehr als zur Frage, "welcher Aszendent zur Geburtsstunde des Kandidaten den Himmel beherrscht hat". "Man muss sich nicht verarschen lassen. Und diese Veranstaltung ist eine Verarschung, eine Herabwürdigung der einzelnen Kandidaten und des Verfassungsgerichtshofs als zentraler rechtsstaatlicher Institution der Republik Österreich", sagte Noll. Damit würde die Öffentlichkeit "hinters Licht geführt".

Die Liste Pilz habe im Nationalrat vielmehr beantragt, dass eine "öffentlich zugängliche Enquete abgehalten wird und ausreichend Zeit für alle Parlamentarier zur Verfügung steht, die Kandidaten zu befragen". Außerdem kündigte Noll einen Initiativantrag ein, das Bundesgleichbehandlungsgesetz zu präzisieren, "sodass eine Diskriminierung von Bewerbern aufgrund einer parteilichen Zugehörigkeit verboten ist". Wenn diese Ergänzung durchgesetzt ist, "wollen wir einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch – unter dem Titel parteipolitisch motivierte Diskriminierung". Das habe den Zweck, parteipolitisch motivierte Postenbesetzung "in den Griff zu bekommen".

Verfassungsexperte kritisiert zu geringe Anforderungen

Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer sagte im Ö1-"Morgenjournal", formal seien die Nachbesetzungen im Verfassungsgerichtshof in Ordnung. Alle Kandidaten würden die gesetzlichen Anforderungen – ein Jus-Studium und zehnjährige Berufstätigkeit – erfüllen. Für Mayer gehen diese aber nicht weit genug: "Meiner Meinung nach sind diese Voraussetzungen nicht ausreichend, für ein Höchstgericht wie den Verfassungsgerichtshof sollten qualifiziertere, strengere Voraussetzungen in der Verfassung selbst festgeschrieben sein." Ein Beispiel könne man sich am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nehmen. Dort muss es sich bei den Kandidaten um höchst anerkannte und höchst qualifizierte Personen handeln.

Überwachungspaket beschlossen

Die Regierung hat am Mittwoch auch ihr länger geplantes "Sicherheitspaket" auf den Weg gebracht. Kernpunkte sind die Überwachung verschlüsselter Nachrichten, die Ausweitung optischer und akustischer Überwachung sowie die Nutzung von Videoüberwachung zur Verfolgung von Straftaten. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) sehen darin keine Massenüberwachung. (red, APA, 21.2.2018)