Die Vizepräsidentin des VfGH wird Präsidentin: Brigitte Bierlein.

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Wien – Brigitte Bierlein (68) wollte eigentlich Kunst studieren, entschied sich dann aber doch für die Justiz – und legte eine steile Karriere hin. Ihre zwei größten Karrieresprünge machte sie jeweils unter Schwarz-Blau: 2003 wurde sie zur ersten Vizepräsidentin ernannt, jetzt wird die Juristin die erste Präsidentin des Gerichtshofes. Schon in der Generalprokuratur war sie 1990 die erste weibliche Generalanwältin.

Der Wienerin werden gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt – ihre jetzige Beförderung nicht ganz zwei Jahre vor der Pensionierung soll sie auch der FPÖ verdanken. 2003 hatte ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Bierlein noch kurz vor der Wahl namens der VP-FP-Regierung dem Bundespräsidenten als VfGH-Vizepräsidentin vorgeschlagen – unter scharfer Kritik der SPÖ, deren geschäftsführender Klubobmann Josef Cap damals beklagte, dass "höchst qualifizierte Bewerber" zugunsten einer Bewerberin übergangen worden seien, "die als stramme Konservative" gelte und keine Verfassungsrechtserfahrung habe.

Die ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter konterte, Bierleins Nominierung sei ein wichtiges Signal zur Aufwertung der Frauen in Österreich. Dieses Signal möchte wohl auch die jetzige Regierung setzen – zumal die ebenfalls zu ernennenden drei neuen Verfassungsrichter allesamt Männer sind.

So klettert Bierlein noch eine Sprosse nach oben in der Karriere, die sie 2003 schon als gekrönt erachtete. Damals gestand sie einen "gewissen gesunden Ehrgeiz" ein, der gepaart mit "viel Spaß an der Arbeit", wohl auch nötig war, um sich als Frau in der früher stark männlich dominierten Welt der Juristen durchzusetzen.

In dieser Welt war die stets elegant-modische gekleidete Juristin schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihren fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte – und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten.

Nur ganz am Beginn war Bierlein nicht ganz so zielstrebig: 1949 als Tochter eines Beamten geboren, wollte sie eigentlich Kunst oder Architektur studieren. Die Mutter (die selbst eine Kunstausbildung hatte) riet ihr ab, Bierlein entschied sich für Jus – und ab diesem Moment ging es geradeaus nach oben: In nur vier Jahren absolvierte sie das Studium, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen interimistische Leiterin.

Denn die Regierung hatte wegen der Neuwahl noch nicht die Nachfolge für den Präsidenten Gerhart Holzinger geregelt. Während der Koalitionsverhandlungen war Bierleins Name zwar schon zu hören – als mögliche Justizministerin. In die Regierung wurde die Strafrechtlerin zwar nicht berufen, aber nicht ganz zwei Jahre vor dem altersbedingten Ausscheiden aus dem VfGH (mit 70 Jahren) wird sie dessen Präsidentin.

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, Bierlein lebt mit einem pensionierten Richter in Partnerschaft. In ihrer Freizeit besucht Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen sowie Oper und Theater. Begeistern kann sie sich auch für Skifahren und Segeln, letzteres am liebsten in der Ägäis. (APA, 21.2.2018)