Burschenschafter haben in der Vergangenheit zum Ansehen der Karl-Franzens-Universität Graz nichts, zu deren Schande aber sehr viel beigetragen.

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Sehr geehrter Herr Alois Gruber, aus den Medien erfuhr ich, dass Sie von der Bundesregierung als neues Mitglied des Universitätsrats der Karl-Franzens-Universität nominiert wurden. Als jemanden, der seit nunmehr schon bald vier Jahrzehnten an dieser Universität lehrt, besorgt mich Ihre Entsendung.

Learning on the job

Weniger, weil mir unbekannt ist, welche Qualifikationen Sie besitzen, um dieses Aufsichtsamt zum Nutzen der Karl-Franzens-Universität auszuüben – diesbezüglich unterscheiden Sie sich wohl kaum von der Mehrheit der in den letzten 18 Jahren von unterschiedlichen Bundesregierungen ernannten Uni-Rat-Mitglieder, die offensichtlich "on the job" ihre Aufgabe erlernen sollen. Nein, nicht die mutmaßlich mangelnde fachliche Kompetenz macht mir Sorgen, sondern der Umstand, dass Sie Mitglied einer Burschenschaft sind, alarmiert mich.

Da ich nicht weiß, ob und bis zu welchem Grad Sie mit der Geschichte der Universität vertraut sind, deren "Aufsichtsrat" Sie künftig angehören werden, darf ich festhalten, dass Burschenschafter in der Vergangenheit zum Ansehen der Karl-Franzens-Universität Graz nichts, zu deren Schande aber sehr viel beigetragen haben.

Rabbiner ertränken

Vor ziemlich genau 80 Jahren zogen Horden von Mitgliedern Ihrer Gesinnungsgemeinschaft durch Graz und rissen die Macht an sich, lange bevor der erste deutsche Soldat seinen Fuß auf österreichischen Boden gesetzt hat. Dieselben Kreise waren wohl auch an dem Pogrom im November 1938 führend beteiligt, als die alte Synagoge angezündet und versucht wurde, den Rabbiner Universitätsprofessor David Herzog in der Mur zu ertränken. Burschenschafter sprachen darüber wohl nur im geschützten Rahmen des Verbindungshauses.

Die universitäre und breitere Öffentlichkeit hielten Grazer Burschenschafter über ihr Tun stets im Unklaren, ja sie versuchten immer wieder, sie bewusst zu täuschen. Ich habe noch lebhaft in Erinnerung, wie der Dachverband der Grazer Burschenschaftler Mitte der 1980er-Jahre die Universität durch ein Geschenk zu kompromittieren suchte. Damals feierte die Universität ein rundes Jubiläum, und ebendieser Dachverband machte sich erbötig, der Universität eine Gedenktafel zu stiften, da es zwar eine gab, die der Opfer des Ersten Weltkriegs gedachte (allerdings unter Weglassung slawischer und italienischer Studentennamen), aber eine solche für den zweiten Krieg fehle.

"Gedenk"-Tafel

Bedauerlicherweise waren die damals verantwortlichen Professoren unaufmerksam oder sonst wie nicht ganz bei Sinnen, als sie die Textierung billigten. Wäre es nach Ihren Gesinnungsgenossen gegangen, wäre der "Opfer von Krieg und Verfolgung 1933 bis 1955" gedacht worden. Vielleicht finden auch Sie diese Formulierung gar nicht anstößig.

Die Stifter hatten eine sehr klare Vorstellung, wer zum Kreis der Erinnerungswürdigen zu zählen ist: neben vielen anderen auch die als Kriegsverbrecher nach 1945 hingerichteten Ernst Kaltenbrunner und Hanns Rauter, die beiden berüchtigsten Massenmörder, die beide Absolventen der Universität Graz und Mitglieder Grazer Burschenschaften waren. Damals und später reagierten Ihre Gesinnungsgenossen durch beredtes Schweigen.

Herr Gruber, Sie können sich nun nicht aus der Affäre ziehen und sagen, das habe mit Ihnen und Ihrer Arminia Czernowitz zu Linz nichts zu tun. Angehörige Ihres Milieus hören es nicht sehr gerne, aber es gibt nun mal eine kollektive Verantwortung für die Untaten früherer Generationen, und das gilt umso mehr für Vereine, denen man aus freien Stücken beigetreten ist.

Ich fordere Sie als Burschenschafter daher, nein: nicht zum Duell, sondern dazu auf, in den nächsten Tagen nach Graz zu kommen und in einem Hörsaal der Universität Graz zu den hier aufgeworfenen Fragen Rede und Antwort zu stehen. Nur durch eine solche öffentlich erfolgende Klarstellung Ihrer Haltung zu den Verbrechen, die Burschenschafter kollektiv zu verantworten haben, werden heutige Angehörige der Universität Graz ohne Schamesröte diese Universität als ihre bezeichnen können. (Christian Fleck, 20.2.2018)