STANDARD: Die Folge am Samstag ist Eva Prohaceks vorletzter Fall. Wann fassten Sie den Entschluss aufzuhören?

Berger: Die Eva Prohacek ist ja Beamtin. Sie müsste eigentlich längst in Pension sein. Ich bin jetzt schon einige Jahre älter, als ich sein dürfte, um eine 65 jährige zu spielen. Und ich finde, allmählich sieht man es auch. Das war aber sicher nicht der einzige Grund. Gerade in den letzten Jahren hatte Unter Verdacht großen Zuspruch – vom Publikum und Feuilliton gleichermaßen. Ich hatte das Gefühl,es sei der richtige Zeitpunkt mit der Reihe aufzuhören, so lange die Leute es bedauern und nicht fragen… "Wie lange will sie denn das noch machen…"

Foto: ZDF/ Marco Nagel

STANDARD: Wie leicht fällt der Abschied?

Berger: Leicht? Nein, leicht fällt er gar nicht. Unser Team ist in all den Jahren zusammen gewachsen. Wir haben in den 17 Jahren gemeinsam viel erlebt. Die schwierigsten Dreharbeiten nachts in Kälte und Schnee, die schönsten Momente, wenn die Arbeit geglückt war, aber auch Privates hat uns verbunden: Ehen wurden geschlossen, Kinder geboren, Paare gingen auseinander – in 17 Jahren passiert viel. Aber ich werde auch die Eva Prohacek vermissen. Ich habe mir die Frau anverwandelt. Ich kenn’ mich aus mit ihr. Es wird mir schwer fallen, sie aufzugeben.

STANDARD: Die aktuelle Folge trägt den Titel "Die Guten und die Bösen". Dass das nicht so eindeutig zu sagen ist, darum ging es ja immer irgendwie bei Unter Verdacht. Glauben Sie, Sie konnten mit der Reihe etwas bewirken?

Berger: Wir haben immer aktuelle Geschichten erzählt, zumeist über Wirtschaft und Politik, eben über unsere Gesellschaft, die dann mit den Mitteln eines Krimis umgesetzt worden sind. Es war so, dass wir Zuschauer erreicht haben, die diese Themen in den Zeitungen überschlagen haben und sich nun damit auseinander setzen mussten und wollten. Insoweit haben wir durchaus etwas bewirkt.

STANDARD: Der aktuelle Fall – es geht um ein Flüchtlingskind, das in Panik Selbstmord begeht – ist schockierend. Wie entstehen die Drehbücher – ab wann sind Sie involviert?

Berger: In einem ersten Schritt tauschen wir, also die Redakteurin des ZDF, Elke Müller und der Produzent Mario Krebs und ich unsere Gedanken und Ideen aus. Dann werden die Autoren angesprochen. Bei der Lesung der ersten Drehbuchfassung ist zumeist schon der Regisseur dabei. Dann gibt es eben eine zweite und dritte Drehbuchfassung, bis wir alle denken und sagen können . Okay, jetzt fangen wir an zu drehen an. Unter Verdacht ist ja kein Tatort, sondern eher ein Politkrimi. Der muss faktisch gut recherchiert sein und dennoch spannend.

Foto: ZDF/ Marco Nagel

STANDARD: Sie spielen die Figur seit 16 Jahren – wie hat sie sich verändert, wie haben Sie sie verändert?

Berger: Mein Bemühen war eher, die Figur nicht zu verändern. Schwierig genug. Aber denken Sie nur an Columbo und seinen Regenmantel. Ohne Regenmantel wäre die Figur schon nicht mehr Columbo gewesen. Unter Verdacht ist keine Serie, in der dramaturgische Entwicklungen möglich sind, die Spannung kommt nicht nur von den Situationen, sondern auch von den Antagonisten Dr. Reiter (Gerd Anthoff, Anm.) gegen Eva Prohacek. Diese beiden Figuren darf man nicht verändern und damit aufweichen.

STANDARD: Wenn Eva Maria Prohacek den Job abgeben müsste, wen würden Sie als würdige Nachfolgerin vorschlagen – wer könnte das am besten?

Berger: Die Unter Verdacht-Reihe lebt ganz stark von den Schauspielern, die die Figuren, die sie spielen, geprägt haben. Eine Übergabe an andere Schauspieler in den gleichen Rollen ist undenkbar und wird auch nicht gedacht.

STANDARD: Was man dieser Tage fragen muss: Wie stehen Sie es zur #MeToo-Bewegung?

Berger: Das könnte eine der wichtigsten Gesellschaftsdebatten seit den 1970er-Jahren sein. Wenn nicht alles zerredet und boulevardisiert wird. Wenn nicht alles vermischt wird. Wenn die Debatte sich nicht wohlig voyeuristisch auf die Film- und Fernsehbranche beschränkt. Wenn das Selbstbewusstsein der Frauen und vornehmlich der jungen Frauen gestärkt wird und ebenso ihre beruflichen Postionen.

STANDARD: Ist es dafür nicht schon zu spät?

Berger: Es geht immer und immer noch um Macht und Machtmissbrauch. Es geht um Abhängigkeit, die besonders bei den Freiberuflichen im Vordergrund steht. Es geht um den Umgang zwischen Mann und Frau. Und der hat sich doch schon geändert, und wird sich weiter ändern, so bald Frauen in ihrer beruflichen Tätigkeit nicht erpressbar sind.

STANDARD: Mobbing gibt’s auch unter Frauen.

Berger: Aber das gehört eben nicht in die #MeToo-Debatte. Und auch nicht, dass dumme ,vulgäre Männersprüche und Witze bei der Polizei angezeigt werden müssen. Manieren kann man nicht per Gesetz verordnen. Es werden Meldestellen, Beschwerdestellen eingerichtet werden – mit dem Versprechen, dass die Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen anonymen Schutz erhalten. Ich bin da ein wenig skeptisch. Egal, wir sind eigentlich noch gar nicht mitten drin in der #MeToo-Debatte, ich meine damit, mitten in der Gesellschaft angekommen. Die Erziehung zu wechselseitigem Respekt muss schon im Kindergarten beginnen. Das wird noch ein langer Weg. Dabei waren wir doch schon mal viel weiter, wenn ich zurück an den gesellschaftlichen Aufbruch in den 1970ern denke. (Doris Priesching, 22.2.2018)