Wien – Das zitronengelbe, zerstückelte Surfbrett hängt zu Hause in Berlin in Alexander Schröders Küche. Jeden Tag freue er sich über den intensiven Farbklecks des Kölners Michael Krebber. Aktuell schmückt der Surfboardkadaver, den der Künstler irgendwo zwischen Thunfischscheiben und einer minimalistischen Skulptur Donald Judds einordnet, aber die Wände des Wiener Museums moderner Kunst (Mumok). Optik Schröder II titelt die Präsentation von Werken seiner Sammlung – es ist die Sammlungsvariante "Boah!" zum großen Wow! nebenan im Leopold-Museum.

Michael Krebber: INK, 2009
Foto: CAPC musée d'art contemporain de Bordeaux

Anders als die dort ausstellende Sammlerin Heidi Horten, die sich mit ihren "All you can buy"-Trophäen der Kunstgeschichte auch im Alltag umgibt, lebt Schröder nicht so intensiv mit seiner eher der deutschen und oft auch der gesellschaftspolitischen Gegenwart verpflichteten Kollektion. Wenn, verrät Schröder, Jahrgang 1968, Sohn eines ebenfalls sammelnden Architekten, im STANDARD-Gespräch, dann sind die Bilder schon eher beiläufig an die Wand gelehnt. Die Wohnung sei permanentes Provisorium, das ihn "in einer kreativen Laune hält".

Das Mumok bietet Alexander Schröder nun ein schönes Wiedersehen mit seinen sonst gut verstauten Schätzen (mehrere hundert Werke zählt die Sammlung). "Die meisten Sachen sind gut verteilt in den Lagern." In gemeinsamen Lagern mit den Werken seiner Galerie? Schröder weicht aus: "So konkret möchte ich da jetzt nicht darauf eingehen."

Einblick in "Optik Schröder II" im Mumok

Neu heißt die Galerie, die Schröder 1994 in einem Hinterhof der Auguststraße in Berlin Mitte gemeinsam mit Kompagnon Thilo Wermke gegründet hat. Neu ist nicht irgendeine von den rund 400 Berliner Galerien, sondern einer der international am meisten vernetzten Player der Stadt. Inzwischen betreibt man auch noch einen zusätzlichen Ausstellungsraum, den MD72 (Mehringdamm 72). Und Schröder, der als Gesellschafter der Art Berlin Contemporary, die Gallery Weekend und die Kunstmesse ABC organisiert und deren Teilnehmer auswählt, gilt als Strippenzieher. Böse Zungen rechnen ihn, der mit dem MD72 auch einen alternativen Ausstellungsraum betreibt, sogar einer Art Berliner "Kunstkartell" zu.

Ein Mann vom Fach, könnte man sich auch über Professionalität und Expertise des Sammlers freuen und abwiegeln, die kommerzielle Involviertheit in den Kunstmarkt sei nicht weiter von Belang. Jedoch, so klar ist die Optik der Optik Schröder II nicht. Denn von 42 präsentierten Positionen (darunter Isa Genzken, Manfred Pernice, Martha Rosler oder Danh Vo) sind 21 – also 50 Prozent – von Künstlerinnen und Künstlern, die Schröder auch als Galerist vertritt. Man beachte: Eine museale Ausstellung adelt Werke, lässt Marktwerte von Künstlern in der Regel steigen.

Danh Vo: Ohne Titel, 2015
(Gold auf Karton)
Foto: Sammlung Alexander Schröder /Stefan Korte

Schönheitsfehler

Dass Karola Kraus, der 2010 bei ihrem Antritt als Mumok-Direktorin ihr Naheverhältnis zur Galerie Bärbel Grässlin (ihre Schwester) vorgeworfen wurde, diesen Schönheitsfehler nicht scheut, darf verwundern. Sammler Schröder sieht keinen Interessenkonflikt. "Die Künstler bringen ja ihren Erfolg schon selber mit. Kai Althoff braucht das Mumok nicht mehr, der hatte ja schon das MoMA." Ob es so simpel ist?

Der "Atmosphärograf", wie Die Zeit den sich stilistisch wie ideologisch nicht festzumachenden Althoff nennt, hatte in der Tat 2016 eine Retrospektive im New Yorker MoMA, trotzdem kann man die Nachfrage weiter steigern. Althoff gehört zu jener, in der Kollektion stark repräsentierten Clique Kölner Künstler, darunter Cosima von Bonin, ihr Ehemann Michael Krebber, Andreas Slominski oder auch der 1997 verstorbene Martin Kippenberger, wo Schröder "das Glück gehabt hat, ganz nah dran zu sein, die Leute kennenzulernen" – auf Galeriepartys und im Kölner Nachtleben.

Einblick in "Optik Schröder II" im Mumok

Kippenberger war auch "Türsteher" auf jenem Fest bei Grässlins, wo Schröder, damals noch Kunststudent (das Ausstellungsmachen – besonders in Berlin – erschien ihm dann spannender als die Künstlerkarriere) Karola Kraus kennenlernte. Eine lose Freundschaft begann, 2006 stellte Kraus im Kunstverein Braunschweig erstmals seine Sammlung aus: Optik Schröder I. Was löste das Herzeigen der Sammlung in ihm aus? "Zwischen kalten Füßen und großem aufgeblasenem Ego alle Gefühlszustände".

Sammler langfristig ans Haus zu binden, Schenkungen oder Dauerleihgaben vorzubereiten, sind die Motivationen von Museen solche Ego-Kitzler zu realisieren. Das ist Kraus bereits gelungen. 2014 schenkte Schröders Galerie und Privatsammlung dem Mumok insgesamt vier Werke. Man hofft wohl auf mehr (Vielleicht auf einen Pernice, eine Sturtevant?). Denn die Sammlung verdeutliche, so der Pressetext, "auf schmerzhafte Weise manche Lücken der Mumok-Sammlung".

Neben drei raumgreifenden Arbeiten des US-Konzeptkünstlers Tom Burr gehört zur Schenkung auch eine Installation von Christian Philipp Müller: Am Eingang zur Schau steht ein Regal voller Hüte auf denen Rollen stehen: "Künstler", "Kritiker" "Betrachter", "Vermittler", "Förderer", "Sammler" oder "Händler". Alexander Schröder hat fast alle Hüte gleichzeitig auf. Und das scheint ihm zu gefallen. (Anne Katrin Feßler, 21. 2. 2018)