Bild nicht mehr verfügbar.

Die Ursachen für Pädophilie sind sehr vielschichtig und hängen möglicherweise auch mit einer Sexualisierung der Brutpflege zusammen.

Foto: dapd/Marcus Brandt/ddp

Bei Männern mit Pädophilie liegt im Gehirn ein Störung des Brutpflegesystems vor. Das hat ein Forscherteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) nun herausgefunden. Ihre Erkenntnisse zu den möglichen Ursachen wurden nun in der Fachzeitschrift Frontiers in Human Neuroscience.

Zahlreiche Vorgängerstudien beschäftigten sich bei der Suche nach Erklärungen für pädophile Störungen vor allem mit dem Paarungssystem, also den Reaktionen des Gehirns auf sexuelle Reize, den damit verbundenen Mechanismen der Impulskontrolle und möglichen hirnanatomischen Veränderungen.

Im Gegensatz dazu konzentrierte sich das Kieler Forschungsteam nun auf Gehirnaktivitäten, die das sogenannte Brutpflegeverhalten steuern. Männer sind anders als die meisten männlichen Säugetiere zu ungewöhnlich ausgeprägten Brutpflegetätigkeiten in der Lage. Sie verfügen also über ein breites Spektrum an sozialen Fertigkeiten, mit denen sie sich um ihren Nachwuchs kümmern können. Dieses Verhalten steht bei Säugetieren einschließlich des Menschen mit einer bestimmten hormonellen Regulation in Verbindung.

Sexualisierung der Brutpflege

Die Forscher vermutete eine mögliche Überaktivität des Brutpflegesystems bei pädophilen Männern. "In unserer Untersuchung haben wir uns erstmals mit Mechanismen im Gehirn der Betroffenen befasst, die nicht mit der Sexualität in Verbindung stehen. Die Ursachen für Pädophilie sind vielschichtiger als bisher angenommen und hängen möglicherweise auch mit einer Sexualisierung der Brutpflege zusammen", betont Psychologe Jorge Ponseti, Leiter der Studie.

Das Team untersuchte, welche Reaktionen pädophile Männer auf Bilder von jungen und ausgewachsenen Tieren zeigen und nahmen dabei magnetresonanztomographische Messungen (MRT) des Gehirns vor. Sie nutzten also eine Methode, die unabhängig von sexuellen Reizen über das sogenannte Kindchenschema der abgebildeten Jungtiere für eine Aktivierung des Brutpflegesystems sorgt.

Medikamentöse Hormon-Regulierung

Es zeigte sich, dass die subjektive Wahrnehmung dieser Bilder sich bei pädophilen Männern und einer gesunden Kontrollgruppe nicht unterschied. Allerdings ergaben die MRT-Messungen, dass sich die sogenannte Hirnantwort der Betroffenen beim Betrachten der Jungtiere deutlich verstärkte. Dabei handelt es sich um Aktivitäten in bestimmten Hirnarealen, etwa dem linken vorderen Inselkortex, die zum Beispiel auch aktiv sind, wenn Mütter ihr eigenes Kind anschauen.

Die Kieler Forschenden schlossen daraus, dass Pädophilie auch mit einer Störung des männlichen Brutpflegesystems in Verbindung stehen kann. Ein Ansatz, dem sie dabei nachgehen wollen, liegt in der Konzentration bestimmter Hormone, die im weiblichen Organismus mit Beginn der Wechseljahre sinkt.

Sie bewirkt bei Frauen, dass sich das Brutpflegesystem verändert und sie zum Beispiel weniger stark auf das Kindchenschema reagieren. Das Forschungsteam will prüfen, ob eine medikamentöse Hormon-Regulierung bei betroffenen Männern eine ähnliche Wirkung zeigt. "Dieser Therapieansatz böte die Chance, eine pädophile Neigung viel zielgerichteter zu behandeln als das heute möglich ist", zeigt sich Ponseti optimistisch. (red, 24.2.2018)