Fast täglich kommt es zurzeit in Israel zu Kundgebungen gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dem illegale Machenschaften vorgeworfen werden – wie hier in Tel Aviv.

Foto: AFP / Jack Guez

Shlomo Filber – der Name, der wohl den meisten Israelis bis Anfang der Woche kaum ein Begriff war, ist mittlerweile in aller Munde. Kaum eine Zeitung, die dieser Tage nicht ein Bild des 55-Jährigen auf das Titelblatt bringt. Filber ist der Mann, der Premierminister Benjamin Netanjahu jetzt sehr gefährlich werden könnte.

Als ob es für Netanjahu nicht ohnehin schon eng geworden wäre, seit die Polizei vergangene Woche empfahl, ihn in zwei Korruptionsfällen anzuklagen, sagt nun auch Filber, ein ehemaliger enger Vertrauter, in einem weiteren Fall als Kronzeuge aus.

Es geht im "Fall 4000" um einen mutmaßlichen Deal zwischen Netanjahu und dem Unternehmer Shaul Elovitch: Der Regierungschef, der bis 2017 zusätzlich auch Kommunikationsminister war, soll veranlasst haben, dass das Telekommunikationsunternehmen Bezeq wirtschaftliche Vorteile erhält. Elovitch, der nicht nur der größte Anteilseigener von Bezeq ist, sondern auch Eigentümer der Nachrichtenseite walla.co.il, habe im Gegenzug dafür gesorgt, dass man positiver über die Netanjahus berichtet.

Anfang der Woche hatte die Polizei im Zuge der Ermittlungen unter anderem zwei enge Vertraute Netanjahus verhaftet. Einer von ihnen: Filber. Er sagte am Mittwoch aus, Netanjahu habe ihn, den damaligen Generaldirektor des Kommunikationsministeriums, aufgefordert, Regulierungen durchzusetzen, die Bezeq zugutekommen. "Ich habe Netanjahus Anweisungen befolgt. Es lag nicht in meiner Macht. Ich habe detaillierte Weisungen erhalten", wird Filber in Medien zitiert. Mit dem Kronzeugendeal umgeht er seine mögliche Gefängnisstrafe.

Derweil tauchen bereits neue Beweismaterialien auf: Der Walla-Geschäftsführer soll der Polizei nun Aufnahmen vorgelegt haben, die belegen, wie Eigentümer Elovitch eine positive Berichterstattung über Netanjahu und dessen Familie forderte.

Unsauberer Deal

Netanjahu wird außerdem verdächtigt, mittels seines Medienberaters Nir Hefetz der Richterin Hila Gerstel einen unsauberen Deal angeboten zu haben: Sie bekomme den Posten der Generalstaatsanwältin, wenn sie dafür Ermittlungen gegen Netanjahus Ehefrau einstellt. Sara Netanjahu wird in einem weiteren Fall verdächtigt, Staatsgelder für Privat- und Haushaltsausgaben missbraucht zu haben. Gerstel ging auf den Deal nicht ein, informierte damals aber auch nicht die Polizei.

Netanjahus Regierungsstuhl wackelt mittlerweile gewaltig: Schon vor einer Woche hat die israelische Polizei in zwei anderen Korruptionsfällen ihre Ermittlungsergebnisse vorgelegt und eine Anklage des Premierministers empfohlen. Netanjahu soll in einem Fall teure Geschenke angenommen und dafür unter anderem versucht haben, dem Hollywood-Produzenten Arnon Milchan Steuervorteile zu verschaffen. In dem anderen Fall geht es um eine angebliche Absprache mit Arnon Mozes, dem Herausgeber der großen Tageszeitung "Yedioth Ahronoth": Wenn das Blatt positiver über Netanjahu berichte, wollte er im Gegenzug das Gratiskonkurrenzblatt "Israel Hayom" im Zaum halten.

Parallele zu Nixon

Die israelische Tageszeitung "Haaretz" zieht bereits Parallelen zur Watergate-Affäre in den USA, die den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon 1974 zum Rücktritt bewegte.

Doch noch denkt der Premier nicht daran, sein Amt aufzugeben oder auch nur ruhen zu lassen. Er weist bis dato alle Vorwürfe zurück. Und auch die Koalitionspartner in Netanjahus Regierung sehen derzeit keinen Grund, das Bündnis aufzulösen. Über moralische Aspekte sollten Wähler entscheiden, über kriminelle Angelegenheiten das Rechtssystem, sagte Bildungsminister Naftali Bennett, Vorsitzender der Siedlerpartei Jüdisches Heim. "Wir hoffen sehr, dass der Premierminister als freier Mann aus allen Prozessen hervorgeht, um seiner selbst und um des Wohls des Staates willen." Selbst dann, wenn es zu einer Anklage Netanjahus käme, sieht Bennett keinen zwingenden Grund für Neuwahlen.

Umfragen bleiben stabil

Und die Wähler scheinen es derzeit ähnlich zu sehen. Neuesten Umfragen des TV-Senders Aruz 10 zufolge würde der Likud, mit Netanjahu an der Spitze, auf 27 Sitze im Parlament kommen und wäre damit weiterhin die stärkste Partei in der Knesset mit ihren 120 Sitzen – gefolgt von der liberalen Jesh Atid mit 23 und dem Zionistischen Lager mit 15 Sitzen. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 23.2.2018)