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Moshe Harel wurde 2008 in Prishtina verhaftet, ging aber wieder frei.

Foto: Picturedesk/AP

Prishtina/Sarajewo – Er soll es gewesen sein, der Israelis, die dringend eine neue Niere brauchten, an die Privatklinik im Kosovo verwies und außerdem armen Menschen in der Türkei oder in Russland ein paar Tausend Euro dafür bot, ihre Niere zu spenden. Der Kosovo hat einen Auslieferungsantrag gegen Moshe Harel ausgestellt, der kürzlich auf Zypern verhaftet wurde.

Der Organhandelfall, der von Staatsanwälten und Richtern der EU-Rechtsstaatsmission Eulex verhandelt wird, droht dennoch nicht aufgeklärt zu werden. Denn die EU-Staaten könnten demnächst entscheiden, dass die 37 Richter und Staatsanwälte der Eulex abgezogen werden. Damit würden die offenen Fälle wohl im Berufungsverfahren versanden, jahrelange Arbeit würde zunichtegemacht. Und die Rechtsstaatlichkeit, die im Kosovo ohnehin kaum entwickelt ist, würde weiter schwinden. Denn der lokalen kosovarischen Justiz traut noch niemand zu, heikle Angelegenheiten anzufassen.

Razzia schon 2008

Die illegalen Organtransplantationen im Kosovo sind bereits seit zehn Jahren ein Thema. 2008 führte die Polizei eine Razzia in der Klinik Medicus am Stadtrand von Prishtina durch, nachdem ein türkischer Mann, dem zuvor die Niere entfernt wurde, mit großen Schmerzen am Flughafen aufgefunden worden war.

2016 wurden der Besitzer der Klinik, Lutfi Dervishi, und sein Sohn Hajdini Dervishi zu acht und fünf Jahren Haft verurteilt. Es ging um illegalen Organhandel. Das Urteil wurde wegen Prozessfehlern aufgehoben, im Vorjahr wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Insgesamt soll es sich um 31 Fälle handeln.

Das Medicus-Verfahren gilt als eines der wichtigsten der Eulex, die seit knapp zehn Jahren im Kosovo tätig ist. Bisher wurden 600 Urteile gefällt – bei vielen ging es um Korruption. Aber auch 200 Fälle von Kriegsverbrechen wurden verhandelt, 518 vermisste Personen aus dem Krieg identifiziert. Die Eulex hat tausende ungeklärte Eigentumsfragen unter die Lupe genommen. Insgesamt wurden 100 Leute verhaftet. Einen Schwerpunkt legt man auf Beratung – 96 Prozent der neuen kosovarischen Gesetze wurden mithilfe der EU-Experten entworfen.

Lokale Gerichte überfordert

Die Eulex wurde von lokalen Eliten – und ihren Handlangern in den Medien – in all den Jahren stark bekämpft, weil man offensichtlich Verbrechen vertuschen wollte. In den kommenden zwei Monaten sollen nun die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie die Richter und Staatsanwälte dieses Jahr abziehen.

Angesichts der neuen Erweiterungsstrategie der EU-Kommission, die einen Schwerpunkt bei der Schaffung von Rechtsstaatlichkeit setzen will, scheint ein Abzug nicht nur kontraproduktiv, sondern auch ein widersinniges Signal zu sein. "Zudem geht in jenen Fällen, die an die kosovarischen Behörden übergeben wurden, nichts weiter", sagt ein Eulex-Beamter, der anonym bleiben möchte, zum STANDARD. Viele Verfahren seien einfach zu heikel, weil mächtige Leute involviert sind. Bereits diese Woche wurde jedoch der Prozess gegen einen Politiker der regierenden PDK, Azem Syla, von der Eulex zu einem lokalen Gericht transferiert. Syla wird vorgeworfen, der Kopf eines Verbrechersyndikats und in Geldwäsche und Grundstücksbetrug involviert zu sein.

"Das bedeutet das Ende des Falles"

Staatsanwalt Danilo Ceccarelli, der die Anklage schrieb, protestierte gegen die Übergabe: "Das bedeutet das Ende dieses Falles, und wir wissen das alle." Ceccarelli bezeichnete die Vorgangsweise als "Schande". Die EU-Staatsanwälte und Richter agieren im Rahmen des kosovarischen Justizsystems. Die Erwartungen waren vor zehn Jahren sehr hoch. Viele Bürger sind nun aber enttäuscht, weil es bislang keine Verurteilungen von hochrangigen Politikern gibt.

Doch klar ist auch, dass ohne Eulex Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und Politik seltener aufgeklärt werden können. Auch im Nordkosovo verbreiten kriminelle Gangs ein Klima der Angst. (Adelheid Wölfl, 23.2.2018)