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Vor Ende des Kreditprogramms erschüttert die Novartis-Affäre die griechische Politik. Am Pranger steht die Vorgängerregierung.

Foto: AP / Petros Giannakouris

Einen Tag und eine Nacht lang debattierte das griechische Parlament über die angeblich größte Betrugs- und Bestechungsaffäre, die das Land bisher gesehen hat. Dann stellten Saaldiener zehn Glasboxen vor der Regierungsbank auf für die zehn Beschuldigten in der Novartis-Affäre: zwei ehemalige Ministerpräsidenten und acht frühere Minister.

Für die einen im Parlament sah das schon sehr nach Scherbengericht aus. Für andere war es der Versuch, Transparenz in einem hochpolitisierten Skandal walten zu lassen. Griechenlands linker Regierungschef Alexis Tsipras prangerte den Schweizer Pharmakonzern Novartis direkt an. "Gibt es irgendjemanden, der an den undurchsichtigen Praktiken dieses Unternehmens zweifelt?", fragte er die Abgeordneten.

Aber es geht ja um mehr: um Tsipras' Amtsvorgänger Antonis Samaras, um hochgestellte Persönlichkeiten wie den heutigen Zentralbankchef Yiannis Stournaras oder den EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, vor allem aber um die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia, der die meisten der Beschuldigten angehören und die sich eigentlich schon auf die Rückkehr an die Macht vorbereitet. 50 Mio. Euro Bestechungsgeld soll Novartis zwischen 2006 und 2015 verteilt haben, einen Großteil davon an Regierungspolitiker.

Klärung in einem Monat

Am frühen Donnerstagmorgen, nach 18 Stunden Debatte, stimmte eine breite Mehrheit im Parlament dann für die Einsetzung eines U-Ausschusses oder tolerierte sie zumindest. Binnen eines Monats soll der Ausschuss klären, ob die Ermittlungen der Justiz solide genug sind, um eine Strafverfolgung gegen die Ex-Regierungspolitiker und die Aufhebung der Immunität zu empfehlen. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist die Novartis-Affäre nur die Spitze des Eisbergs. Der Schaden, der dem griechischen Staat durch angebliche Marktmanipulationen und überteuerte Medikamente des Schweizer Konzerns entstanden sein soll, beziffern die Ermittler mit drei Mrd. Euro. Novartis sei kein Einzelfall, so heißt es. Die Machenschaften von Pharmalieferanten hätten der Staatskasse zwischen 2000 und 2015 insgesamt 23 Mrd. Euro gekostet.

Die Ermittlungen stützen sich bisher maßgeblich auf die Aussagen dreier anonymer Zeugen. Sie wurden ihrerseits von den beschuldigten Politikern wegen Verleumdung angezeigt. "Diese Bastarde werden vor Gericht dafür bezahlen", sagte EU-Kommissar Avramopoulos einem griechischen Privatsender. Ex-Premier Samaras drohte der Linken in der Parlamentsdebatte gar mit einer Niederlage wie im Bürgerkrieg. (Markus Bernath aus Athen, 22.2.2018)