Bisher dachte man, dass Przewalski-Pferde die letzten Wildpferde des Planeten wären. Ein Irrtum, wie sich nun herausstellte: Auch sie stammen von einst domestizierten Pferden ab.
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Wien – So etwas kommt in der Wissenschaft auch nicht alle Tage vor: Die Geschichte eines unserer Haustiere muss von Grund auf umgeschrieben werden. Und statt mehr über den Ursprung der heutigen Pferderassen zu wissen, steht die Forschung wieder ganz am Beginn.

Unbestritten ist, dass die Domestikation, also die Nutzbarmachung und Haltung der Pferde, ein Schlüsselmoment in der menschlichen Geschichte war. In den letzten Jahren gingen Zoologen davon aus, dass jene Pferde, die vor rund 5.500 Jahren im heutigen Kasachstan von der Botai-Kultur gezähmt wurden, als Ursprung unserer heutigen Pferderassen gelten.

Die einzigen Wildpferd...

Diese Genealogie, die man auch in jedem neueren Lexikon und Lehrbuch findet, kennt nur eine einzige Ausnahme, nämlich das Prezwalski-Pferd. Das habe als einzige Unterart des Wildpferdes in der Wildform bis heute überlebt. Doch eine in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichte Analyse fossiler DNA der Botai-Pferde stellt nun beide Annahmen auf den Kopf.

Nicht die modernen, domestizierten Pferde, sondern vielmehr die als "wild" erachteten Prezwalski-Pferde gehen auf die ersten gezähmten Unpaarhufer der Botai-Kultur zurück, hat ein großes internationales Forscherteam mit Wiener Beteiligung – Barbara Wallner und Gottfried Brem von der Vetmeduni Wien – herausgefunden. Die Forscher um Studienleiter Ludovic Orlando (Universität Kopenhagen) sind sich zudem sicher, dass die Przewalski-Pferde die einzigen Nachfahren der ersten vom Menschen domestizierten Pferde sind.

...sind bloß neu verwildert

"Laut unseren Ergebnissen scheinen die Przewalski-Pferde wilde Abkömmlinge der ersten domestizierten Pferde zu sein. Das stellt natürlich ihre bisherige Bezeichnung als die letzten lebenden Wildpferde in Frage", sagt Orlando. "Die Tiere müssen stattdessen dem Druck der Menschen entkommen und über die Jahrtausende verwildert sein." Auf die Schutzmaßnahmen für diese Tiere sollte sich das jedoch nicht auswirken. "Bislang haben wir sie als die letzten Wildpferde der Erde geschützt. Nun gilt es sie als die nächsten Verwandten der ersten, domestizierten Pferde zu schützen", sagt Orlando.

Dass die Botai-Pferde auch die Vorfahren der heutigen domestizierten Pferde sein könnten, ist laut den Sequenzierdaten und Analysen des Forschungsteams unmöglich. Keine einzige der Eurasischen Pferderassen der letzten vier- oder fünftausend Jahre ist mit den Botai-Pferden nahe verwandt. Muster in der mitochondrialen DNA der Pferdeproben lassen jedoch darauf schließen, dass es vor 4.000 Jahren zu einer Expansion der Pferdepopulationen kam. Damit könnten die Menschen damals auf andere Pferdtypen gestoßen sein, die vielleicht besser geeignet waren, um sie für ihren Nutzen weiter zu entwickeln.

Ein neuer Ansatz tut not

Diese völlig unerwarteten Ergebnisse haben mehrere Konsequenzen: Vor allem muss für die Erforschung der Herkunft moderner Pferde ein neuer Ansatz gefunden werden. Vermutlich wird man sich für die Suche nach dem Ursprung der Pferdedomestikation auch auf ein neues Gebiet konzentrieren: Die nächsten Untersuchungen alter DNA von früh domestizierten Pferden sind unter anderem im zentraleuropäischen Raum geplant, konkret in Ungarn und Rumänien. (Klaus Taschwer, 24.2.2018)