Der Kopf ist müde, aber die Beine wollen Bewegung: Rastlosigkeit ist Nervensache.

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Wer sich abends auf die Couch setzt und die Beine hochlegt, der will eigentlich zur Ruhe kommen. Menschen mit unruhigen Beinen (Restless-Legs-Syndrom, kurz RLS) plagt aber gerade dann ein unangenehmer Bewegungsdrang. Die Unruhe tritt vorwiegend in Ruhephasen und nachts auf. Sind die Beschwerden stärker und schmerzhaft, haben RLS-Patienten teils massive Ein- und Durchschlafprobleme, was in der Folge zu chronischer Müdigkeit am Tage führen kann.

Diese Patienten leiden zudem unter sozialen Problemen, weil sie etwa im Restaurant oder Flugzeug nicht für längere Zeit still sitzen können. "Das stellt bei den schwereren Fällen ein relevantes Problem dar und führt immer wieder zum Vermeidungsverhalten", weiß Stefan Seidel, der sich an der Wiener Universitätsklinik für Neurologie mit RLS beschäftigt.

Mehr Frauen als Männer

Schätzungsweise zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung leiden unter unruhigen Beinen. Die Zahl der Betroffenen nimmt dabei mit dem Lebensalter zu, auch verspüren deutlich mehr Frauen als Männer das störende Kribbeln in den Beinen. Doch die Dunkelziffer der Betroffenen ist wahrscheinlich weitaus höher, da viele Betroffene wegen ihrer unruhigen Beine erst gar keinen Arzt konsultieren, und wenn, dann werden häufig eher Schlafstörungen als Symptom angeben.

Die Ursachen von RLS sind weitestgehend unklar. Vermutet wird, dass im Gehirn oder im Rückenmark der Betroffenen abends und nachts zu wenig Dopamin freigesetzt wird. Dadurch entsteht ein Mangel dieses Botenstoffs im zentralen Nervensystem. Auch eine unzureichende Eisenspeicherung in den Gehirnzellen oder der bei Frauen unregelmäßige Hormonhaushalt spielen möglicherweise eine Rolle.

Zwar kann RLS auch das Symptom einer anderen Grunderkrankung sein, denn unruhige Beine treten gehäuft bei Patienten mit Eisenmangel, Rheuma, Diabetes und nach Schwangerschaften auf. Durch die Behandlung der Grunderkrankung lassen sich die Beschwerden dann reduzieren oder verschwinden ganz.

Ohne Ursache

"Aus meiner Erfahrung und haben die meisten RLS-Fälle jedoch keine erkennbare Ursache, sind also idiopathisch", sagt Seidel. Es werden nur die Symptome behandelt. Nicht bei jedem Betroffenen ist das Kribbeln stark ausgeprägt und störend, dass gleich Medikamente nötig sind. Zwar liegen zur Wirksamkeit von nichtmedikamentösen Therapien wie Akupunktur oder Massagen keine Studien vor, doch Einzelfallbeschreibungen berichten immer wieder von Erfolgen. Da diese Therapien nur selten Schaden anrichten, haben sie als Lösungsansatz ihre Berechtigung.

Bei den meisten Betroffenen reicht in den Kribbelphasen Bewegung, Massage oder kalte Duschen. "Bestimmte Medikamente, die der Betroffene wegen einer anderen Erkrankung einnehmen muss, wie etwa Antidepressiva, können die Unruhe in den Beinen verstärken", sagt Seidel. Auch Betablocker, Antihistaminika sowie Genussmittel wie Kaffee, Alkohol, Schokolade und Nikotin können die Symptome verstärken. Auch eine Veränderung im Lebensstil könnte daher die Symptome bereits reduzieren.

Medikamente wechseln

Entgegen der Meinung mancher Medikamentenhersteller sollte man Medikamente direkt gegen RLS erst dann einsetzen, wenn es anders nicht mehr auszuhalten ist. Etwa wenn die Symptome täglich auftreten und der Schlaf gestört ist. Schätzungen gehen davon aus, dass dies bei etwa jedem dritten RLS-Patienten der Fall ist. Wegen der vermuteten Störung des Dopaminhaushalts ist dabei die Therapie der ersten Wahl mit Wirkstoffen, die wie Dopamin wirken. Bei einer leichten Form der Erkrankung können Patienten mit dem gleichen Mittel über viele Jahre hinweg gut behandelt werden. Bei schwereren Formen oder wenn der Schweregrad mit der Zeit zunimmt, müssen oftmals häufiger auf ein anderes Mittel wechseln.

Bei leichteren Beschwerden ist das der Wirkstoff L-Dopa, der schnell, aber nur für wenige Stunden wirkt und sich daher beispielsweise für den spontanen Einsatz vor einer Veranstaltung eignet, die der Betroffene ohne unruhige Beine genießen will. Für die Langzeitanwendung eignet sich Levodopa hingegen nicht, denn dann kommt es bei 60 Prozent der Patienten zu einer Verstärkung der Beschwerden, die sich dann auch auf den Tag verlagern (Augmentation). "Levodopa wird derzeit vor allem bei Bedarf angewendet", sagt Seidel. "Eine chronische Einnahme gilt es hierbei aber zu vermeiden."

Zur Ruhe kommen

Für Betroffene mit sehr ausgeprägten Beschwerden oder die, bei denen es unter Langzeitbehandlung mit L-Dopa zur Augmentation kommt, stehen mittlerweile gut untersuchte Dopaminagonisten zur Verfügung, die höher dosiert auch in der Parkinsontherapie zum Einsatz kommen und bei RLS die Schlafqualität und Tagesmüdigkeit schon innerhalb einer Woche deutlich bessern. Sie eignen sich auch zur Langzeittherapie, nur anfangs tritt gelegentlich Übelkeit auf. Eine Zunahme der Beschwerden verspüren nur fünf bis zehn Prozent. US-Forscher haben zudem in einer Studie herausgefunden, dass Bewegungstherapie neben der Medikamenteneinnahme die Symptome drastisch reduzieren kann. "Allerdings sind bei den Agonisten Impulsstörungen mögliche Nebenwirkungen", so Seidel. Bei den damit behandelten Patienten können Spielsucht, Libidosteigerung, Hypersexualität, zwanghaftes Geldausgeben oder Einkaufen, Essattacken und Esszwang auftreten.

Kommt der Betroffene mit Dopaminagonisten nicht gut zurecht, und kommen zur Unruhe auch noch Schmerzen in den Beinen hinzu, hat man mit Antiepileptika wie den Wirkstoffen Pregabalin und Gabapentin inzwischen gute Erfahrungen gemacht. "Die Nebenwirkungen sind hier nicht grundsätzlich stärker, manche vertragen sie aber besser als die Agonisten", sagt Seidel. Sie hemmen die Erregungsweiterleitung in den Nervenbahnen, sind aber noch nicht offiziell zur Behandlung der Restless Legs zugelassen. (Andreas Grote, 24.2.2018)