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Diskutantin Eva Wohlfarter arbeitete für zwei Monate als Fahrradkurierin bei Foodora. Arbeitskollegen habe sie so gut wie nie zu Gesicht bekommen, außerdem sei ihr der Spaß durch das Radeln wegen Zeitdrucks schnell vergangen.

Foto: Reuters/GONZALO FUENTES

Diskussionen darüber, ob die Digitalisierung Fluch oder Segen ist, gehören glücklicherweise der Vergangenheit an – zumindest großteils ist mittlerweile angekommen, dass nicht über das Ob, sondern über das Wie nachgedacht werden sollte, wenn es um die zahlreichen Veränderungen in der Arbeitswelt geht.

Das sieht auch Reinhard Todt, aktuell Präsident des Bundesrates, so. Der SPÖ-Politiker hat seine sechsmonatige Präsidentschaft unter das Motto "Digitale Zukunft gerecht gestalten" gestellt und zu einer Diskussion ins Parlament geladen. Ihm sei es ein Anliegen, Lösungsansätze für einen sozial verträglichen Umgang mit neuen Formen von Arbeit, Unternehmerschaft und Dienstverhältnissen zu finden. Die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer gehe bei all den neuen Herausforderungen nämlich Richtung Selbstausbeutung.

Die Frage in Richtung der Diskutanten lautete daher: Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es? Praktisch dabei: Im gut gefüllten Redoutensaal fanden sich mit Bundes- und Nationalratsabgeordneten einige Zuhörer, die die Handlungsanleitungen der Experten – theoretisch – auf den Weg der Gesetzgebung bringen können.

Was Digitalisierung verstärkt

Martin Risak, am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien tätig und international in der juristischen Einschätzung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterwegs, will bei der Digitalisierung nicht von einem singulären Phänomen sprechen. Vielmehr werde sie verstärkt durch parallele Entwicklungen: Die Globalisierung setze Arbeitsmärkte weltweit unter Druck, der demografische Wandel und ein Wertewandel weg von der kollektiven Identität kämen maßgeblich hinzu.

Was Risak mit diesem Punkt meint, kann Eva Wohlfarter gut nachempfinden. 2016 arbeitete sie für zwei Monate als Fahrradkurierin bei Foodora, während sie die Masterarbeit schrieb. Arbeitskollegen bekam sie so gut wie nie zu Gesicht, außerdem sei ihr der Spaß durch das Radeln wegen Zeitdrucks schnell vergangen. Wer aber denke, dass prekäre Beschäftigung ein Alleinstellungsmerkmal der Gig-Economy sei, irre, sagt Wohlfarter. Zuvor habe sie lange an der Uni gearbeitet, befristete Teilzeitverträge – teilweise jeweils nur für ein halbes Jahr – seien da die Regel gewesen.

Dass prekäre Beschäftigung in Österreich zugenommen habe, könne man nicht sagen, sagt Rolf Gleißner, stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit bei der Wirtschaftskammer: "Man darf dieses Schlagwort deswegen nicht überstrapazieren."

Kein Grund zur Panik

Auch für eine mögliche Angst vor dem technologischen Wandel sieht er in Österreich keinen Grund – die Wirtschaftslage sei gut, und die Digitalisierung sorge auch für viele neue Jobs. Dass sich durch neue Beschäftigungsformen soziale Probleme ergeben, kann er momentan nicht erkennen. Und: Neue Regelungen für Unternehmer – etwa bezüglich der Arbeitszeit – wolle man auf jeden Fall vermeiden. Auch der Idee von Arbeitsrechtler Risak, Beschäftigten ein Recht auf Nichterreichbarkeit einzuräumen, kann er nur wenig abgewinnen.

Die zunehmende Kontrolle durch technische Geräte alarmiert Gleißner nicht, bei Sylvia Kuba, Expertin für Crowdwork bei der Wiener Arbeiterkammer, sieht das anders aus. Die Überwachung von Arbeitnehmern sei heute so leicht wie nie zuvor. Und ja, es stimme zwar, dass im letzten Jahrhundert in Österreich kein Anstieg der Arbeitslosigkeit durch technologischen Fortschritt stattgefunden habe, allerdings habe diese Tatsache auch mit hart erkämpften Arbeitsrechten zu tun. "Von Fortschritt soll die breite Masse, nicht nur die Eliten profitieren", sagte Kuba. Und dabei solle man besonders auf die Frauen achten. Ihr Appell also: Weiterkämpfen.

Luxus Normalbeschäftigung

Zwischen der Sicht von Unternehmensvertretern und derjenigen von Arbeitnehmervertretern tun sich im Laufe der Diskussion noch weitere Gräben auf. Einig sind sich die Diskutanten aber darin, dass Österreich allein nur sehr begrenzte Handlungsfähigkeit hat – auf EU-Ebene wird deswegen vom Arbeitsrecht bis zu Qualifizierungsmaßnahmen zusammengearbeitet, und das solle auch in Zukunft forciert werden.

Wohlfarter hat es mittlerweile zum unbefristeten 30-Stunden-Job geschafft. "Ein richtiger Luxus, vor allem wenn ich in meinen Freundeskreis schaue." Flexibilität habe seine Vorteile, das wolle sie nicht bestreiten. "Ich habe mir das aber ausgesucht – und es nun auch gerne hinter mir gelassen." Atypische Beschäftigungen sollen sich die Gesetzgeber deswegen genau anschauen, wünscht sie sich. (Lara Hagen, 28.2.2018)