Mitglieder verschiedener Burschenschaften während des Festkommerses zur Erinnerung an das Revolutionsjahr 1848.

Foto: apa / herbert pfarrhofer

Über den Gral und seine Hüter wurden schon ganze Epen verfasst, aber das werden Sie jetzt nicht glauben: Erst in der Folge – nach der Ersten Republik – entwickelte sich die Freiheitliche Partei zum Gralshüter des Österreichpatriotismus. Der Sänger, der dies dichtete, ist niemand anderer als Andreas Mölzer, in der letzten Ausgabe seiner "Zur Zeit". Die Vorstellung, der Gral des Österreichpatriotismus stehe nun, mit Säbeln bewacht von Burschen der Bruna Sudetia und von Strache zum Aschenbecher verfremdet, in einer Vitrine in der FPÖ-Zentrale, muss jeden Gralsritter der deutschen Kulturgemeinschaft verwirren. Kaum dreißig Jahre her, da erklärte ein gewisser Jörg Haider die österreichische Nation zur "ideologischen Missgeburt", besagten Gral also zu einer Art nationalem Nachttopf, in den der Freiheitliche sein Geschäft verrichten sollte, da verkündete derselbe Haider wenige Jahre später das "Ende der Deutschtümelei" für seine Partei, womit der auf den Gral konditionierte Parteigenosse nicht mehr wusste, wohin er seine Notdurft verrichten durfte, was zwangsläufig in die Gründung des BZÖ mündete.

Das BZÖ erwies sich rasch als ideologische Missgeburt, was einen Zahntechniker zur Zange greifen ließ, um einer Partei ins Leben zu helfen, die das Volk mit dem Heilsruf "Österreich zuerst" beglückte, ohne die Anhänger der deutschen Kulturgemeinschaft zu kränken. Das Symptom dieser nationalen Schizophrenie zeichnet Mölzer treffend nach. Diese Zwiespältigkeit des Verhältnisses zwischen Drittem Lager und dem Begriff "Österreich" findet eine Entsprechung in einer generell zu diagnostizierenden Ambivalenz des nationalliberalen, des deutsch-freiheitlichen Lagers.

Hinter dieser generell zu diagnostizierenden Ambivalenz steckt freilich nichts als eine Tautologie, die kaschieren soll, dass die Gralshüter des Österreichpatriotismus mit zwei Hintern auf einem Gral sitzen wollen, indem sie die autochthone Bevölkerung mit billigem Populismus blind dafür machen, wie sie die Mitglieder der deutschen Kulturgemeinschaft mit Posten versorgen.

Vor allem um solche geht es, wenn sich die besagten Gralshüter in die Rolle bedauernswerter Opfer von bösen Nazi-Machern schummeln wollen. Überall müsse man nun von einem "Nazi-Liederbuch" hören (inzwischen sind es schon zwei), klagt Mölzer im typischen "Zwar ... aber"-Stil. Zwar enthält dieses Liederbuch eine absolut ungustiöse und abzulehnende Liedstrophe, keine Frage, und eine Reihe von Liedern, die auch in der düsteren Zeit des Dritten Reiches gesungen wurden. Allerdings enthält dieses Liederbuch alte Vaterlands- und Freiheitslieder aus dem 19. Jahrhundert, die von literarischen Größen wie Goethe, Schiller, Hauff und Körner gedichtet wurden, etc. Die literarischen Größen konnten sich freilich ihre Gesellschaft im Liederbuch nicht aussuchen. Sie deshalb als Kronzeugen für die Harmlosigkeit von Nazitexten aufzurufen bleibt Gralshütern des Österreichpatriotismus vorbehalten. In der Kulturgemeinschaft des heutigen Deutschland wäre das nicht mehr möglich.

Ihr Selbstmitleid schlägt dem Gral den Boden aus, sehen sie sich, egal was aus dem braunen Sumpf auftaucht, immer als Opfer der Faschismuskeule. Die FPÖ-Spitze, die Vertreter der Burschenschaften werden tun können, was sie wollen, in "Falter", "Standard", "Kurier" und den allzu linkslastigen Redaktionen von Funk und Fernsehen werden sie dafür niemals Zustimmung erhalten. Die Ärmsten hätten eigentlich nur zu tun brauchen, wofür sie Jahrzehnte Zeit hatten, nämlich die literarischen Größen aus der Geiselhaft von antisemitischen Literaturzwergen zu befreien.

Und sie brauchten sich nur nicht desselben miesen Tricks zu bedienen, mit dem auch die Nazis der autochthonen Bevölkerung vorschwafelten, alles, was man ihnen vorwerfe, richte sich gegen das ganze Volk. Dass man damit ein ganzes Land zum Naziland stempelt, ist diesen Pseudoantifaschisten absolut gleichgültig. Wieder einmal sind also die Nazi-Macher unterwegs, um ihr unseliges Handwerk gegen Österreich zu richten. Das geht nach der Maxime: Nur der Faschist ist ein guter Antifaschist, nur er kehrt unter den Teppich, was zivilisierte Augen und Ohren nicht sehen und hören wollen.

Ob die freiheitliche Regierungspartei der Stigmatisierung und Kriminalisierung ihres eigenen zivilgesellschaftlichen Vorfelds tatenlos zuschaut, werden wir sehen. Die Historikerkommission ist ein Zeichen in diese Richtung. Sie wollen nichts lernen. (Günter Traxler, 25.2.2018)