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Wenn die türkis-blaue Regierung "ihre" Unirätinnen und Uniräte nominiert, dann wird sie das, no na, mit türkis-blauen Parteifreunden tun, sagt Erhard Busek, so wie die rot-schwarze ihre Vertrauensleute nominiert hat und jede andere Konstellation das auch so handhaben würde. "Das ist nicht neu."

Foto: Getty Images / Yuri Arcurs

Wien – Die Regierung hat "ihre" 59 Unirätinnen und Uniräte nominiert, und natürlich gab es Kritik an der Liste. Den einen waren zu viele Herren von "völkischen Burschenschaften" dabei, andere, etwa die Vorsitzende der Universitätenkonferenz und Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, sprachen von "parteipolitischer Versorgung", die sich an den Entsendungen durch Türkis-Blau ablesen lasse.

Nun, da stellt sich die Frage: Wie viel Politik steckt in den Unis? Ist durch die Uniräte zu viel politischer Einfluss drin? Oder zu wenig wissenschaftliche Expertise und allgemeine Affinität zur Universität? Die Antworten hängen, wie so oft, davon ab, wen man fragt.

Fragt man den "Vater" des Unigesetzes (siehe Wissen in der Infobox unten), den ehemaligen langjährigen Hochschulsektionschef Sigurd Höllinger, dann lautet die Antwort: "Nein, zu viel Politik ist nicht drin, weil die politische Seite keine Mehrheit hat, und die Interessen des Staates sollten darin vertreten sein." Immerhin sei er ja auch der Finanzier der Hochschulen.

Aufsicht durch Parteigänger

Es kommt jedoch ein Aber. Denn die Auswahl der Personen, die von den Regierungsparteien quasi als Aufsichtsräte in die Unis geschickt werden, sieht doch nach etwas hemdsärmeliger Rekrutierung von Parteifreunden aus: "Das würde ich bejahen", bestätigt Höllinger im STANDARD-Interview und meint: "Die Regierung entscheidet, was sie den Universitäten an wertvollen Persönlichkeiten als Unirat überantworten oder auch zumuten will." Um der Qualifikation der Uniräte mehr Stellenwert zu geben, sollten "etwas ambitioniertere Auswahlprozeduren" etabliert werden, rät Höllinger. – Eine Frage des politischen Willens, der in dieser Frage allerdings enden wollend scheint.

Das bestätigt einer, der beide Seiten kennt: Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek war Vizekanzler sowie Wissenschaftsminister und amtiert noch bis zum Beginn der Funktionsperiode der neuen Uniräte ab 1. März auf einem Regierungsticket als Uniratsvorsitzender an der Med-Uni Wien. Dass Regierungsparteien ihre Gewährsleute in die Unis entsenden, "ist nicht neu", sagt er: "Es gibt nur jetzt mehr Aufregung als früher." Heißt im Klartext, weil jetzt Türkis-Blau bestellt hat. Wie? Na, türkis-blaue Vertrauensleute, so wie die vorige Regierung rot-schwarze und wie jede andersfarbige eben ihre je eigene andersfarbige Auswahl treffen würde. Ja, das seien "Einfärbungsversuche", sagt Busek: "Aber es hängt auch am Rektorsamt, damit umzugehen." In den künftigen Burschenschaftsabgesandten an den Unis sieht er "eine gewisse Problematik", die aber halt zeige, "dass die FPÖ kein intellektuelles Potenzial hat".

Verbindung mit dem Boulevard

Dass auf Wunsch der ÖVP an der Med-Uni Wien Eva Dichand, Herausgeberin der Gratiszeitung Heute und mit Krone-Herausgeber Christoph Dichand verheiratet, Unirätin wird, hält Busek für recht österreichisch: "Das ist ja nicht die erste Verbindung, die eine Partei mit Krone und Boulevard eingeht. Vielleicht hofft man, dass Frau Dichand Finanziers für anstehende Unineubauten mobilisieren kann."

Oliver Vitouch, Rektor der Uni Klagenfurt, wiederum kann zwar von seinem Unirat sagen, "dass die Politik bisher keine Rolle gespielt hat", die aktuelle bundesweite Regierungsliste aber hält er für "in Summe schwächer denn je, das ist eher Kreisklasse", kritisiert er die türkis-blauen Uniratsteams, die er "woanders ausgeknobelt" vermutet als im Büro von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann. Dieser wisse als Ex-Vizerektor der Uni Wien um die Bedeutung von Internationalität für Unis bestens Bescheid. Die Regierung schickt jetzt 56 Personen aus Österreich und drei aus Deutschland zur Aufsicht in die Unis. Die Kandidaten der Senate seien "deutlich internationaler besetzt".

Akute Engstirnigkeitsgefahr

An Eva Dichands Entsendung macht Vitouch exemplarisch seine prinzipielle Kritik, aber auch den Anspruch an Uniräte allgemein fest: "Es geht ja auch um die gesellschaftspolitische Funktion von Unis. Sie mag eine erfolgreiche Unternehmerin sein, aber als Betreiberin des Gratisorgans der Gegenaufklärung verkörpert sie den maximalen Gegensatz zur Aufgabe der Universitäten, die für Weltoffenheit, Diversität und Internationalität stehen – wollen und müssen. Jetzt aber besteht eine gewisse Engstirnigkeitsgefahr", befürchtet Vitouch. (Lisa Nimmervoll, 24.2.2018)