Wien – Meine Familie, mein Schloss, meine Stadt, meine Untertanen, meine Berge, meine Thronländer, meine Expeditionen! Es ist wie ein Blick in ein privates Fotoalbum der Habsburger und fürstlichen Familien des Kaiserreichs: von der Nachmittagssonne geküsste, floral tapezierte Salons, pausbackige Babys und zartrosa Wiener-Mäderl-Wangen, Bergflanken und Gletscher in dramatischem Licht, promenierende Stadtbewohner und friedliche Genrebilder aus der Vorstadt. Süße Biedermeieridyllen, schöne Interieurs und Landschaften also zum Schwelgen. Perfekte Oberflächen für touristische Nostalgietrips und – warum auch nicht! – die heute nachvollziehbare Portion Eskapismus. Früher war alles besser, alles pastell. Wenn's nur stimmen würde!

Und tatsächlich erfüllten die Blätter des 19. Jahrhunderts, von denen nun rund 170 unter dem Titel Das Wiener Aquarell in der Albertina zu sehen sind, für den Adel ebenjenen dokumentarischen Zweck: Sie hielten Besitztümer fest, das neueste Interiordesign im Palais oder dienten – oft in großen Alben verwahrt – als Erinnerung an Mitglieder des eigenen Geschlechts, etwa die fernen Verwandten, enzyklopädierten die Welt und ihre kleinen Wunder.

Aber ihr detaillierter Realismus und damit funktionale Ähnlichkeit zur Fotografie bedeutete letztlich auch den Tod dieser Form des Aquarells. Vom neuen Medium verdrängt, feierte die Technik erst dann ein Comeback, als sie sich im Expressionismus (man denke etwa an Schieles Zeichnungen) künstlerisch neu erfand.

Analoges Instagram

Um intime Blicke in das analoge Instagram des Adels geht es vorrangig auch gar nicht. Dass die Auftraggeber dieser Werke nicht – wie irrtümlich angenommen – das wachsende Bürgertum, sondern Aristokraten waren, ist aus anderen Gründen von Belang. Marie Luise Sternath, die das Thema konsequent verfolgt und immer wieder – etwa in Ausstellungen zu Peter Fendi (2007), Biedermeier (2007), Jakob und Rudolf von Alt (2010) oder den Wiener Kammermalern (2015) – präsentierte, begründet damit aber diese Abgeschlossenheit des Aquarells wienerischer Schule, diese intensive Phase der Spezialisierung im 19. Jahrhundert.

Das heißt, die Arbeiten blieben im Besitz der fürstlichen Familien, gelangten also nicht in den Handel. Die Konsequenz: International wird das Aquarell, als schnelles Medium des unmittelbaren Augenblicks, der Freilichtmalerei vor dem Motiv, den Engländern und den Impressionisten zugerechnet. Dabei standen die Wiener Künstler schon lange vor ihren berühmten Kollegen en plein-air vor ihren Staffeleien. Prägend für ihren durch extreme Präzision, Realismus und unglaubliche Lichthaltigkeit charakterisierten Stil war die Wiener Akademie und der dort lehrende Landschaftsmaler Josef Rebell.

Beauftragt etwa von Kaiser Franz II., Erzherzogin Sophie und insbesondere Erzherzog Johann waren die Künstler in ihren Motiven aber durchaus autonom, betrachtet man so ungewöhnliche Blätter wie Rudolf von Alts Gemüsegarten mit Kraut und Kohl (1879): Das Grünzeug scheint er, am Boden hockend, verewigt zu haben, dazu zwei Figuren am oberen Bildrand, wenig größer als Salatschnecken.

Von Rudolf von Alt bleibt auch sein Schleierfall bei Gastein (1830) in Erinnerung: Auf dem Blatt hat er nur dem sich in Kaskaden ergießenden Wasser Farbe gegönnt. Neben ihm zählen Peter Fendi, Matthäus Loder und Thomas Ender zu den herausragenden Künstlern der umfassenden Präsentation. Ender kehrte von den Expeditionen nach Brasilien und auf die Gipfel der Alpen mit faszinierenden Natur- und Gletscherstücken zurück. Ein Schaugenuss. (Anne Katrin Feßler, 23.2.2018)

Albertina, bis 13. Mai

Präzision, Realismus und hohe Lichthaltigkeit kennzeichnen das "Wiener Aquarell": Thomas Ender Der Großglockner mit der Pasterze, 1832.

Foto: Albertina

Rudolf von Alt, Der Graben in Wien, 1838.

Foto: Albertina

Rudolf von Alt Blick in die Alservorstadt, 1872.

Foto: Albertina

Rudolf von Alt, Gartensalon Rasumofsky, 1845

Foto: Albertina

Peter Fendi, Die Familienvereinigung, 1834.

Foto: Albertina

Jakob Alt, Blick aus dem Atelier des Künstlers gegen Dornbach, 1836.

Foto: Albertina