Minister Kunasek – hier mit Hubschrauberpiloten in Sarajevo – kann an den Fingern einer Hand ausrechnen, dass das Verteidigungsbudget um viele Millionen zu gering dotiert ist.

Foto: ÖBH/Pusch

Pristina/Sarajevo/Tuzla – Wenn Verteidigungsminister Mario Kunasek die österreichischen Eufor-Soldaten in Bosnien besucht, werden alte Erinnerungen wach. 19 Jahre ist es her, da war der freiheitliche Politiker selbst noch ein junger Unteroffizier, hat sich zum ersten Mal zu einem Auslandseinsatz gemeldet. Da war der Krieg noch in schlimmster Erinnerung, die Unterbringung spartanisch: Kunasek nächtigte in einem Zweimannzelt, das zum besseren Schutz in einer leeren Fabrikhalle aufgestellt war.

Die Verhältnisse in Bosnien sind inzwischen stabilisiert, die Soldaten besser untergebracht, der Einsatz Routine. Aber in Sarajevo, das Kunasek am Donnerstag inspiziert hat, wurde ebenso wie in Tuzla, wo er am Freitag die Verbindungsoffiziere zur lokalen Bevölkerung besucht hat – oder auch bei seiner KFOR-Visite am Mittwoch –, offensichtlich, dass es im Bundesheer massive Engpässe gibt.

Nicht alle Funktionen besetzt

Die rund 200 österreichischen Soldaten, die derzeit in Bosnien stationiert sind, reichen nicht aus, um alle vorgesehenen Funktionen zu besetzen – und wo es unbedingt notwendig ist, die nötigen Fähigkeiten zu erhalten, müssen die Soldaten öfter an den Einsatzort, als ihnen lieb sein kann.

Die Hubschrauberpiloten zum Beispiel: Diese müssen mehrmals im Jahr für einen Monat nach Sarajevo verlegen, um die dort stationierten drei AB-212-Hubschrauber einsatzbereit zu halten. Und jene Piloten, die in Bosnien sind, fehlen umso mehr für den täglichen Betrieb in Österreich. In Hörsching, wo die AB-212 stationiert sind, ist eine der beiden Hubschrauberstaffeln überhaupt nicht mit Piloten besetzt, die andere hat nur die halbe Mannstärke. Insgesamt fehlen allein für die AB-212 rund 50 Piloten.

Unattraktive Verträge, fehlende Piloten

Und die sind nicht so schnell nachzubesetzen – die Ausbildung dauert drei Jahre. Und die angebotenen Verträge für neu einsteigende Piloten bieten keine taugliche Karriereperspektive. Manche müssen schon nach neun Jahren wieder ausscheiden, im Alter von 53 Jahren ist überhaupt Schluss mit der Fliegerei – das bedeutet im schlimmsten Fall zwölf Jahre Arbeitslosigkeit bis zur Pension. Kein Wunder, dass viele Hubschrauberpiloten das Heer verlassen und eine zivile Karriere – etwa als Pilot für die Christophorus-Hubschrauber des ÖAMTC – vorziehen.

Die Situation bei den Hubschraubern steht beispielhaft für die Engpässe, die sich durch jahrelange Versäumnisse beim Bundesheer ergeben haben. Kunasek, der bei den Soldaten quasi als "einer der ihren" ein hohes Ansehen genießt und mit ihnen kameradschaftlich umgeht wie kaum einer seiner Vorgänger, kennt die Probleme.

Kunasek zuversichtlich: Es wird mehr geben

Er weiß, dass er zweierlei braucht: Ein höheres Budget, um die Lücken zu schließen – seinen Soldaten und den Medienvertretern, die ihn auf seiner Inspektionstour begleitet haben, hat er das zugesichert: "Es wird mehr geben", sagte Kunasek in Sarajevo. Zweitens brauche das Bundesheer nicht nur die – auch von Beamtenminister und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zugesagte – Ausnahme vom Aufnahmestopp in den Bundesdienst. Zudem müsse ein neues Dienstrecht für die Soldaten geschaffen werden.

Für 18-jährige Soldaten sei die früher wichtige lebenslange Arbeitsplatzgarantie heute nicht mehr so wichtig wie noch vor 20 oder 30 Jahren, meint der Minister – aber umso wichtiger wäre es, Karrierewege für die zweite Hälfte des Berufslebens zu eröffnen und zivile Anerkennung für militärische Qualifikationen sicherzustellen.

Apropos Anerkennung: Diese hat natürlich auch eine finanzielle Komponente. "Der Soldatenberuf muss attraktiv sein. Und wenn ein Soldat ins Ausland geht, dann muss sich das auszahlen." Wo immer der Minister in dieser Woche hingekommen ist, hat er versichert, dass er die Präsenz österreichischer Soldaten bei internationalen Einsätzen keinesfalls reduzieren will.

Hohes Ansehen und hohe Professionalität

Die Angehörigen des Bundesheeres genießen bei diesen Einsätzen nicht nur hohe internationale Anerkennung. Sie sammeln darüber hinaus auch Erfahrungen, die sie so bei Übungen im Inland nicht gewinnen könnten. Eine Aufklärungskompanie aus Mistelbach ist derzeit beispielsweise in allen Teilen des Kosovo eingesetzt – kein lockerer Spaziergang in einem Gelände, das möglicherweise vermint ist.

Die hohe Professionalität fällt auf, weil die Mistelbacher Aufklärer als "Augen und Ohren" des KFOR-Kommandos gelten und laufend einen Beitrag für das Lagebild im Einsatz liefern können.

Der Ball liegt bei der ÖVP

Dass die Lücken geschlossen werden müssen, um alle Posten besetzen und einen geregelten Dienstbetrieb aufrechterhalten zu können, ist im Militär jedem klar. Doch hinter vorgehaltener Hand wird darauf verwiesen, dass die schönen Zusicherungen des freiheitlichen Ministers natürlich nur so viel wert sind, wie die Bereitschaft der ÖVP und ihres Finanzministers, die falsche Sparpolitik der Jahre bis 2015 auszugleichen und dem Verteidigungsressort kräftige Budgeterhöhungen zuzugestehen.

Die Jahre, in denen die ÖVP den Finanzminister gestellt hat, haben aber gezeigt, dass die Volkspartei wenig Bereitschaft hat, ihre oft bekundete Bereitschaft, das Militär bestmöglich auszustatten, auch mit entsprechenden Finanzspritzen zu unterstützen. (Conrad Seidl, 23.2.1018)