Günther Platter (re.) ist noch immer schwarz und tritt als ÖVP-Politiker auf, sein Parteichef Sebastian Kurz segelt indes unter türkiser Flagge und führte die "neue Volkspartei" nach der Nationalratswahl ins Kanzleramt.

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Tirol hat gewählt, und schon nach der ersten Hochrechnung konnten sich vier der fünf "Mutterparteien" jener wahlwerbenden Gruppen, die es auch auf Bundesebene gibt, freuen. Das kam nicht ganz aus dem Nichts, denn schon vor der Wahl "hatten alle, die auch im Bund vertreten sind, noch bessere Chancen als in Niederösterreich, dass wir lauter Gewinner erleben", erklärte Politikwissenschafter Peter Filzmaier im STANDARD-Gespräch.

Für ÖVP, FPÖ, SPÖ und Neos (die noch etwas zittern mussten, ob sie beim ersten Antreten den Einzug in den Landtag schaffen würden) ging diese Prognose auf. Alle hatten einen höheren Ergebnisbalken als vor fünf Jahren. Nur die Grünen, die 12,59 Prozent zu verteidigen hatten und bisher in einer schwarz-grünen Landesregierung Koalitionspartner waren, aber im Bund aus dem Nationalrat geflogen sind, mussten einen "leichten Dämpfer" hinnehmen, schnitten laut dem interimistischen Bundessprecher Werner Kogler mit einem zweistelligen Ergebnis aber dennoch "solide" ab.

Freie Stimmen für viele Gewinner

Dass es so viele "Gewinner" gab, hängt schlicht damit zusammen, dass im Vergleich zur Landtagswahl 2013 gleich sechs Parteien (Vorwärts, Liste Gurgiser, Team Stronach, KPÖ, Piraten, Für Tirol) nicht mehr angetreten sind und so fast ein Fünftel der damaligen Stimmen unter den diesmal antretenden Parteien zu haben waren.

Für die Parteimanager in den Zentralen in Wien erleichterte das die Arbeit am Wahlabend natürlich sehr. Ein Plus ist ein Plus. Für die Feinheiten dahinter kann man sich interessieren, muss man als Chefverkäufer von Parteiinteressen am Wahlabend aber nicht.

Vor allem, weil es laut Filzmaier für die Bundesparteien ohnehin "um nichts als Symbolik" ging. Es wählten nämlich nur 8,4 Prozent aller Wahlberechtigten in Österreich. Die Repräsentanten der türkis-blauen Regierung – der Generalsekretär der ÖVP, Karl Nehammer, und die Generalsekretärin der FPÖ, Marlene Svazek – beanspruchten dennoch die Zugewinne ihrer Landesableger auch für die Bundespartei.

Rückenwind und kalter Wind

Nehammer erblickte im Wahlsieg von Landeshauptmann und VP-Chef Günther Platter, der im Wahlkampf die Farbe Türkis jedoch tunlichst vermieden hat, "ein schönes Zeichen für die neue Volkspartei". Es sei "schön, wenn der Rückenwind auch in Tirol zu spüren ist". Auch für Svazek hat sich "die Politik der Bundesregierung positiv ausgewirkt auf Tirol", wenngleich sie die dortigen Blauen im Wahlkampf einem "sehr kalten Wind" ausgesetzt sah.

Der Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Max Lercher, interpretierte das Plus der Tiroler Sozialdemokraten und deren "absolut gutes Ergebnis" als Zeichen dafür, "dass wir in der Lage sind, wieder Wahlen zu gewinnen", zum dritten Mal bereits, wie er sagte. Er zählte dazu die Nationalratswahl, nach der die SPÖ in der Opposition gelandet ist, und die niederösterreichische Landtagswahl, wo die Roten eine absolute Mehrheit der ÖVP hinnehmen mussten.

Neos-Generalsekretär Nikola Donig sprach in einer ersten Reaktion davon, dass die Partei "Schritt für Schritt die Systeme aufbrechen" wolle, was "gerade in den Ländern durchaus schwer sei".

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Aus Sicht der Bundespolitik war neben der "Symbolik der Ergebnisse" auch die "Symbolik der Koalition" von Interesse, sagte Filzmaier. Platter ist in der praktischen Situation, aus mehreren Koalitionspartnern wählen zu können. Wird er – quasi als bewusstes Gegenmodell zu Türkis-Blau im Bund – weiter mit den Grünen regieren? Oder auch umschwenken auf den Partner, den sich sein Parteichef Sebastian Kurz ausgesucht hatte, um ins Kanzleramt einziehen zu können, also die FPÖ? Oder wird er das Vorgängermodell Rot-Schwarz – mit umgekehrtem Machtverhältnis, also Schwarz-Rot – wählen und so zeigen, dass das großkoalitionäre Modell "doch nicht tot ist"?

"Für die reale Politik im Bund bringt das keine Veränderung", denn, so erklärt der Politologe: "So regionalstolz die Tiroler auch sein mögen, sie können die Bundespolitik nicht vor sich hertreiben." Kurz, der Chef der "neuen Volkspartei", könnte höchstens "ein Luxusproblem" bekommen, wenn die "alten" schwarzen ÖVP-Landesgruppen bei den Wahlen weiter stark abschneiden und sich vielleicht irgendwann ihrer früher gern und ausgiebig gepflogenen und von den Bundesparteichefs nicht zu Unrecht oft gefürchteten Stärke besinnen und wieder etwas mehr auch den Kurs der Bundespartei mitbestimmen möchten.

Der von der SPÖ vernachlässigte Westen

Die Auswirkungen der Tirol-Wahl auf die Verfasstheit der Bundes-SPÖ analysiert Filzmaier so: "Aus strategischer Sicht war und ist es nicht klug, zu sagen: ,Der Westen interessiert uns nicht.' Aber die SPÖ versucht, das jetzt ohnehin ein bisschen zu reparieren und den bisher vernachlässigten Westen wiederzuentdecken. Aber wenn sie nicht bald aufhört, ein kleines Plus, wie etwa nach der Niederösterreich-Wahl, als Triumph zu verkaufen, dann ist das Selbstbetrug."

Anders als für die anderen Parteien bekommen die Grünen auf Bundesebene sehr wohl handfeste Folgen zu spüren, denn sie verlieren aufgrund des Tirol-Ergebnisses ihren Bundesratssitz – und das kostet die grüne Partei den Klubstatus im Parlament in Wien. Mit bisher vier Bundesratsmandataren hatte sie noch den Fraktionsstatus – und somit 92.000 Euro pro Quartal an Klubförderung und diverse Mitwirkungsrechte. (Lisa Nimmervoll, 26.2.2018)