Jeremy Corbyn macht Dampf.

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Coventry – Der britischen Premierministerin Theresa May droht neuer Brexit-Ärger. Die oppositionelle Labour-Partei will für eine "neue, umfassende Zollunion" nach dem EU-Austritt kämpfen. Das kündigte Labour-Chef Jeremy Corbyn am Montag in einer Rede in der englischen Stadt Coventry an.

Damit könnten angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Londoner Parlament Mays Brexit-Pläne ins Schlingern geraten: Sie schließt jegliche Zollunion mit der EU aus.

May will ihre Vorstellungen in einer Grundsatzrede am kommenden Freitag erläutern. An diesem Donnerstag wird EU-Ratspräsident Donald Tusk nach London reisen und sich von May informieren lassen.

Corbyn: Regierung uneins

Corbyn sprach sich in seiner Rede auch für eine "neue, starke Beziehung" zum Europäischen Binnenmarkt aus. 20 Monate nach dem Referendum zum EU-Austritt sei die Regierung immer noch uneins über den Brexit-Kurs, kritisierte der Labour-Chef. Großbritannien trennt sich Ende März 2019 von der Staatengemeinschaft.

Mit den Labour-Plänen wird eine Niederlage Mays nach Ostern im Parlament immer wahrscheinlicher: Rebellen ihrer Konservativen Partei wollen Großbritannien per Gesetz eng an die EU-Zollunion binden. Damit sollen Nachteile für die Wirtschaft verhindert und Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden. Die Rebellen könnten mit Hilfe der Opposition die Regierung möglicherweise überstimmen.

Corbyns Rede stieß auf scharfe Kritik. Man bleibe bei der bisherigen Haltung und werde in Zukunft nicht mehr der Zollunion angehören, sagte ein Regierungssprecher. Brexit-Minister David Davis warf Corbyn Quacksalberei vor: er schade dem Brexit und riskiere Arbeitsplätze. Außenminister Boris Johnson teilte im Kurznachrichtendienst Twitter mit: "Corbyns Brexit-Plan würde Großbritannien als EU-Kolonie hinterlassen." London wäre dann nicht in der Lage, die Kontrolle über seine Grenzen und über die Handelspolitik zurückzubekommen.

Die Mitglieder der Zollunion einigen sich auf gemeinsame Außenzölle – an den Binnengrenzen fallen dann keine Zölle an. Auf Grenzkontrollen im Warenverkehr zwischen den Mitgliedern kann so verzichtet werden.

Verträge mit Drittländern

Brexit-Anhänger sehen in der Scheidung von der EU die Chance, vorteilhafte Handelsverträge mit Drittländern abzuschließen, die in der Zollunion unmöglich wären. Kritiker meinen hingegen, dass London dabei Partnern wie den USA und China erhebliche Zugeständnisse zum Beispiel bei Produktstandards machen müsste.

Bereits am Sonntag hatte sich der Brexit-Experte der Labour-Partei, Keir Starmer, in einer BBC-Talkshow für die Beibehaltung der Zollunion ausgesprochen. Die Partei hatte sich lange nicht festgelegt aus Angst, Brexit-Befürworter unter ihren Wählern zu verärgern. (APA, 26.2.2018)