Dieselautos könnten demnächst aus deutschen Innenstädten verbannt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat dafür den Weg freigemacht.

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Hamburg wird wohl Vorreiter sein. Dort müssen Dieselfahrer schon in wenigen Wochen mit einem Fahrverbot rechnen. "Dieseldurchfahrtsbeschränkungen in Hamburg werden bundesweit vermutlich die Ersten sein. Die Schilder können noch heute bestellt und binnen weniger Wochen aufgestellt werden", erklärte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan bereits am Dienstag.

Kurz zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jenes Urteil gesprochen, auf das Millionen Autofahrer, Kommunen, die Regierung, Autohersteller und Umweltschutzverbände gespannt gewartet haben. Es besagt: Damit die EU-Grenzwerte für Stickoxide in besonders belasteten Ballungsräumen nicht überschritten werden, können Städte künftig Dieselautos aus den Innenstädten verbannen.

Fahrverbote sind auch ohne bundesweit einheitliche Regelung zulässig. Insgesamt verstoßen 70 deutsche Städte noch immer gegen den seit 2010 geltenden Stickoxid-(NOX-)Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Die Richter am deutschen Bundesverwaltungsgerichts erklärten am Dienstag, dass Fahrverbote auch ohne bundeseinheitliche Regelung umgesetzt werden können. Der Druck auf Politik und Autokonzerne ist damit massiv gestiegen.
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Damit gab das Gericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) recht, die gegen die Luftreinhaltepläne der Städte Stuttgart (Baden-Württemberg) und Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) geklagt hatte. "Wir erleben hier ein Debakel für die Regierungspolitik der großen Koalition, die sich eindeutig auf die Seite der Autoindustrie geschlagen hat", erklärte DUH-Chef Jürgen Resch nach dem Urteil.

Merkel beschwichtigt

Die Bundesregierung versuchte nach dem Richterspruch zu beruhigen. "Es geht um einzelne Städte, in denen muss noch mehr gehandelt werden. Aber es geht wirklich nicht um die gesamte Fläche und die ganzen Autobesitzer in Deutschland", betonte Kanzlerin Angela Merkel.

Sie erklärte aber auch: "Auf jeden Fall müssen die Luftreinhaltepläne auch mithilfe des Bundes mit Nachdruck umgesetzt werden." Die Bundesregierung will nun das Urteil prüfen, Fahrverbote sollen vermieden werden. Merkel erwähnte am Dienstag das bereits laufende "Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020" des Bundes. Im Rahmen des Programms stellt Berlin den Kommunen Geld für die Nachrüstung von Dieselbussen im öffentlichen Verkehr oder die Umstellung auf Elektrobusse zur Verfügung.

Die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) machte deutlich: "Verursacher des Problems sind die Autohersteller, und die dürfen wir nicht aus ihrer Verantwortung entlassen." Es sei "zutiefst ungerecht", wenn Autofahrer, die noch vor kurzem mit gutem Gewissen neue Autos gekauft hätten, "jetzt das Problem ausbaden müssten". Die Sozialdemokraten fordern daher nun deutlich höhere Umtauschprämien für Menschen, die ihr altes Auto verkaufen müssen, weil sie damit etwa nicht mehr zum Arbeitsplatz fahren dürfen.

Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) erklärt, man wolle "alles dafür tun, dass Verlust an persönlicher Freiheit und Wertverlust bei Fahrzeugen verhindert wird". Er denkt an kostenlose Angebote im öffentlichen Personen- und Nahverkehr. Julia Klöckner, CDU-Vizechefin und designierte Landwirtschaftsministerin, mahnt, Verhältnismäßigkeit bei allen kommenden Maßnahmen einzuhalten: "In einem Pendlerland müssen wir auch an die denken, die einen kleinen Geldbeutel haben, sich nicht das neueste Automodell leisten und auch nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können."

Nicht glücklich mit dem Urteil ist natürlich die Autoindustrie. Die Aktien der großen deutschen Autobauer VW, Daimler und BMW gaben am Dienstag nach. Eine Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge auf ihre Kosten lehnen die Autohersteller bisher ab.

Wertverluste hinnehmen

Apropos Geld. Eine finanzielle Entschädigung für Besitzer betroffener Dieselmodelle wird es nicht geben. "Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen", erklärt der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Das Urteil seines 0Senats sieht aber Übergangsfristen vor. So dürfen in Stuttgart, einer der schmutzigsten Städte, Fahrverbote für Euro-5-Fahrzeuge nicht vor dem 1. September 2019 erlassen werden.

Und es soll auch Ausnahmen geben, etwa für Handwerker. Diese seien auch bitter nötig, sagt der Präsident des Mittelstandsverbandes BVMW, Mario Ohoven. Denn das Urteil gefährde "die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen". Auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer warnt mit Blick auf viele Handwerker, die Diesel fahren: "Werden Dieselfahrzeuge aus der City verbannt, kann es zu großen Verwerfungen bei der Nahversorgung kommen." (Birgit Baumann aus Berlin, 28.2.2018)