Das Dilemma ist auch hierzulande bekannt: Wen muss ich wählen, um X zu verhindern und Y zu bekommen? Oder sind solche Spielchen ohnehin zwecklos? Rund 50 Millionen Italiener werden am Montag frustriert aufwachen – denn laut Umfragen werden sie am Sonntag ihre Kreuze so verteilt haben, dass wieder einmal unregierbare Verhältnisse herrschen. Wohl keine Kraft wird Chancen auf eine stabile Mehrheit haben, um das Land die nächsten fünf (oder eher weniger) Jahre zu führen. Zwar dürfte das Mitte-rechts-Lager die meisten Stimmen bekommen – doch es ist keineswegs fix, dass sie dafür ausreichen werden, eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden.

Außerdem sind die beiden Anführer dieser konservativ-rechten Allianz – Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia und Matteo Salvini mit der Lega – in Wirklichkeit nur halbherzig bei der Sache. Vielsagendes Indiz: Um sich eine Türe für andere Konstellationen offenzuhalten, blieben sie einer Kundgebung der stramm rechten Fratelli d'Italia fern – dort hätten sie einen "Treueschwur" leisten sollen. Wieso sich vor der Wahl festlegen, wenn nachher andere Optionen locken?

Weit weg von der Regierungsbank

Und dann ist da die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo. Die "Grillini" werden aller Voraussicht nach deutlich stärkste Einzelpartei. Das ist zwar eine Sensation für die junge, weithin konzeptlose Protestpartei, wird aber nichts bringen: Mit einem Drittel der Stimmen ist man weit weg von der Regierungsbank. Und da niemand mit ihnen koalieren will und auch sie lieber allein bleiben, bedeutet eine Stimme für diese Partei einzig und allein: weiter so! Betreibt weiter Brachialopposition!

Der Mitte-links-Block unter Führung der schon heute regierenden Sozialdemokraten könnte der lachende Dritte sein. Nicht aber Spitzenkandidat Matteo Renzi: Mit dem als sehr selbstgefällig verschrienen Ex-Premier will kaum jemand etwas zu tun haben – und das weiß er auch: Renzi ist im italienischen Politbarometer der unbeliebteste Spitzenkandidat.

Also könnte Paolo Gentiloni seine Jahrhundertchance bekommen – er, der im Dezember 2016 die Regierung übernahm, um bloß den Sesselwärmer in der Zeit bis zu Renzis Comeback zu spielen. Heute ist der wohltuend unaufgeregte, brave Parteisoldat in Umfragen der beliebteste Politiker, und zwar mit deutlichem Abstand.

Berlusconi wittert Comeback

Es deutet also vieles darauf hin, dass Italien aufgrund seines Wahlrechts – einer absurd anmutenden Mischung aus Mehrheits- und Verhältnissystem – weitermachen muss mit einer "Groko". Denn schon bisher mussten sich Sozialdemokraten und Konservative zusammenraufen. So wie in Deutschland wird eine Koalition zur wahrscheinlichsten Variante, die von der Mehrheit nicht mehr gewollt wird. Doch nach den schauerlichen Tiefen dieses Wahlkampfs wäre ein zur Sachpolitik verpflichtetes Kabinett Gentiloni II wohl kaum die schlechteste unter vielen schlechten Varianten.

Aber es wäre nicht Italien, wäre nicht alles bloß Provisorium: Silvio Berlusconi wittert ein Comeback. Der wegen Steuerbetrugs Verurteilte durfte in dieser Kampagne nur Werbeträger spielen: Bis Ende 2019 gilt für ihn ein Ämterverbot. Dann aber, so droht er schon heute, könnte er Wahlen vom Zaun brechen, um mit 84 (!) Jahren zum fünften Mal Premier zu werden – wenn die Wähler nicht eine Strategie entwickeln, um ihn zu verhindern und jemand anderen zum Regierungschef zu machen. Wir werden's erleben. (Gianluca Wallisch, 1.3.2018)