Wien – Die Erschaffung von Gold aus unedlen Metallen und die Erschaffung des "Steines der Weisen" bedeuteten für die Alchemie im Mittelalter das Opus magnum, das "große Werk". Beides ist bis heute auch mit modernsten Technologien nicht möglich.
Auf einem anderen Gebiet hat die Wissenschaft jedoch tatsächlich ein Opus magnum vollbracht: Die Erschaffung künstlicher Edelsteine, sogenannter Synthesen, würde jedem Alchemisten zum Ruhme gereichen. Zwar findet dabei keine Transmutation im alchemistischen Sinne statt: Ein Element wird nicht in ein anderes umgewandelt. In der jüngst neugestalteten Präsentationsvitrine der Edelsteinsammlung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) wurde den Synthesen nur eine kleine Ecke gewidmet. Von den meisten Besuchern werden sie wohl als "unecht" abschätzig betrachtet – zu Unrecht, wie die Gemmologin Vera Hammer festhält, sind doch die künstlichen Edelsteine in ihrer Chemie genauso gebaut wie ihre Vorbilder aus der Natur. Die echten Hightechprodukte sind nur mit verschiedenen mehr oder weniger aufwendigen Analysemethoden identifizierbar.
Verkohlte Diamanten
Schon früh wurde experimentiert, wie man der Natur nachhelfen kann. Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen scheiterte mit dem von ihm angeordneten Versuch, Diamanten miteinander zu einem größeren Stück zu verschmelzen. Die angekohlten Reste des Experiments sind ebenfalls in der Schausammlung zu bestaunen.
Um 1837 gelang erstmals die Synthese von Rubin, mit Beginn des 20. Jahrhunderts startete die Produktion im großindustriellen Maßstab. Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde auch von zwei Österreichern geleistet: In den 1960er-Jahren entwickelte der Tiroler Johann Lechleitner die Hydrothermalsynthese von Smaragd. Dabei kristallisieren auf Beryll-Keimplatten Smaragdschichten mit mehreren Millimetern Dicke aus. 1978 gelang dem Steyrer Paul Otto Knischka die Hydrothermalsynthese von Rubin.
Zu Vera Hammers Alltag gehört auch die Begutachtung diverser Schmucksteine auf Echtheit. Die Industrie ist der Gemmologin dabei oft einen Schritt voraus: Mit neuen Verfahren gelingt eine immer größere Annäherung an das Original, sogar natürliche Einschlüsse werden nachempfunden. Aber es wird nicht nur die Natur kopiert, auch gänzliche Neuschöpfungen sind möglich, wie zum Beispiel die Diamantimitation Cubic Zirkonia aus Zirkonoxid, nicht zu verwechseln mit dem natürlichen Mineral Zirkon. Zirkonia kann mit dem Zusatz verschiedener Seltenerdelemente ein breites Spektrum verschiedener Farbvarietäten aufweisen.
In der farblosen Variante sind die Steine beim bloßen Augenschein nicht vom Diamanten unterscheidbar. Da sie jedoch im Gegensatz zum Diamanten schlechte Wärmeleiter sind und sich in Lichtbrechung und Dichte von ihrem Vorbild unterscheiden, besteht keine Verwechslungsgefahr.
Die Verwendung der Synthesen für Schmuck stellt vielfach nur ein Nebenprodukt der Industrie dar. Für die Nutzung in einem medizinischen Lasergerät ist eine weitaus höhere Reinheit vonnöten, als die Natur hervorzubringen vermag. Aber auch aus der Elektronik und Technik sind die künstlichen Steine nicht mehr wegzudenken.
Bei der Verwendung als Schmuckstein geben jedoch viele Menschen immer noch einem natürlichen Edelstein den Vorzug, obwohl sie niemals in der Lage wären, einen Unterschied festzustellen. Doch ganz abgesehen vom Preis spricht einiges für die synthetischen Glitzersteine, die sich ein höheres Ansehen verdienen würden. Während die Gewinnung natürlicher Steine häufig mit der Ausbeutung von Menschen, oftmals von Kindern, verbunden ist, braucht man sich bei einem synthetischen Edelstein diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Auch die Natur wird beim Abbau durch den Einsatz schweren Geräts und von Chemikalien in Mitleidenschaft gezogen. Derlei Umweltschäden treten bei einer Produktion im Labor in dieser Form natürlich nicht auf. In den USA entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein Trend zu ethisch unbedenklichem Schmuck. Die Steine werden zum Teil sogar als "vegan" angepriesen und spielen in der Esoterik eine Rolle.
Auch ein anderer Kaiser hatte übrigens diamantenes Pech. Als Karl I. vor hundert Jahren Österreich ins Schweizer Exil verlassen musste, nahm er jene Stücke aus der Schatzkammer mit, die zum Privatbesitz der Familie Habsburg gehörten – darunter den berühmten Florentiner, einen gelben, tropfenförmigen Diamanten. Da Karl Geld benötigte, um wenigstens in Ungarn den Thron zurückzubekommen, versetzte er den Schmuck. Der Florentiner ist seit 1921 verschollen, im NHM ist eine Glaskopie zu sehen. (Michael Vosatka, 2.3.2018)