Barcelona/Madrid/Brüssel – Der Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter, Carles Puigdemont, hat auf das Amt des Regionalpräsidenten verzichtet. Er werde "vorläufig" nicht für dieses Amt kandidieren, sagte Puigdemont am Donnerstag in einer Videobotschaft. Zuvor hatte es geheißen, der 55-Jährige verzichte überhaupt auf das Amt des Regionalpräsidenten.

Beitrag aus der "ZiB" um 7 Uhr.
ORF

Der 55-Jährige forderte in seiner Botschaft "so bald wie möglich" neue Gespräche, um einen neuen Kandidaten zu benennen und schlug selber den 53-jährigen Jordi Sanchez vor. Der Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) sitzt derzeit allerdings wegen seiner Beteiligung an den Unabhängigkeitsbestrebungen in spanischer Untersuchungshaft.

Der Politiker war wegen seiner Unabhängigkeitsbestrebungen im Oktober von der spanischen Justiz als Regionalpräsident Kataloniens abgesetzt worden und hatte sich daraufhin ins Exil nach Belgien abgesetzt, um einer Strafverfolgung in Spanien zu entgehen.

Absolute Mehrheit für Unabhängigkeitsbefürworter

Bei einer Rückkehr nach Spanien droht Puigdemont die Festnahme wegen Aufruhrs und Rebellion. Ende Jänner urteilte das spanische Verfassungsgericht, für eine Amtseinführung müsse Puigdemont persönlich vor dem Regionalparlament erscheinen.

Bei der von Madrid angesetzten Parlamentswahl in Katalonien am 21. Dezember verteidigte das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter seine absolute Mehrheit. Seither sucht es nach einem Ausweg aus dem Dilemma.

Die linksnationalistische Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, Republikanische Linke), zweitstärkste Kraft der Unabhängigkeitsbefürworter im Parlament von Barcelona, schlug vor, Puigdemont solle die Rolle eines "symbolischen" Präsidenten übernehmen. Die Regierungsgeschäfte solle dagegen ein "exekutiver" Präsident führen.

Diese könnte der 53-jährige Jordi Sanchez, Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), übernehmen. Er sitzt derzeit allerdings wegen seiner Unabhängigkeitsbestrebungen in spanischer Untersuchungshaft.

In Madrid warnte der Chef der Zentralregierung, Mariano Rajoy, die neue katalanische Regierung dürfe nur aus unbescholtenen Personen bestehen. Aus seiner Sicht kommen damit Separatisten, gegen die die Justiz ermittelt, nicht für Posten in der neuen Regierung infrage.

Blockade

Katalonien verharrt gut zwei Monate nach der Wahl des neuen Parlaments in der gegenseitigen Blockade von Separatisten und Gegnern einer Abspaltung. Das Regionalparlament in Barcelona wählte am Donnerstag in der ersten Plenumssitzung seit der Neuwahl im Dezember keine Regierung. Damit wird die autonome Region weiter kommissarisch von der Zentralregierung in Madrid geleitet. Mit der Mehrheit der Separatisten verabschiedeten die Abgeordneten aber einen Antrag, in dem Puigdemont symbolisch als neuer Regierungschef anerkannt wurde. (APA, Reuters, 1.3.2018)