Sportdirektor Franz Wohlfahrt hofft auf das kleine Wunder Europacupteilnahme. "Wir müssen unsere Sinne schärfen."

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STANDARD: Die Austria hat turbulente Wochen hinter sich. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass nun die Wende folgt?

Wohlfahrt: Wir hatten keine turbulenten Wochen, sondern turbulente 72 Stunden. Wir hatten Wochen der Erfolglosigkeit. Nach dem Herbst haben wir uns wahnsinnig viel vorgenommen. Wir schafften großartig die Gruppenphase der Europa League, aber in der Meisterschaft sind wir nach hinten gerutscht. Punkt eins, weil wir viele Verletzte hatten, und Punkt zwei, weil jene, die trotzdem gespielt haben, ihre Leistung nicht gebracht und zu viele Fehler gemacht haben. Zum Teil aus Unerfahrenheit. Das ist Fakt, keine Ausrede. Wir haben uns dieser Situation gestellt, weil wir mutig sind, keine Angst haben.

STANDARD: Mut wird nicht immer belohnt.

Wohlfahrt: Das Trainingslager war in Ordnung, wir haben drei Spieler für die Defensive geholt, Madl, Stronati und Stangl. Madl hat sich gleich verletzt, trotzdem war das 1:1 im Derby sehr gut. Ich war zuversichtlich, dass es passt. Eine Woche später folgte das 1:3 gegen den LASK, alles war wie weggeblasen. Beim 1:2 in Mattersburg haben wir haarsträubende Fehler gemacht, die zweite Halbzeit beim 1:2 gegen die Admira war eine Katastrophe. Wir mussten handeln.

STANDARD: Als Sportdirektor stehen Sie ja auch in der Verantwortung. Sie sind an der Kaderzusammenstellung mit-, wenn nicht sogar hauptbeteiligt. Was haben Sie falsch gemacht?

Wohlfahrt: Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein. Aber man muss auch bedenken, dass sich drei Neuzugänge – Westermann, Klein und Ruan – schwer verletzt haben. Zudem gibt es ja auch wirtschaftliche Vorgaben, man darf nicht vergessen, dass wir parallel ein großes Infrastrukturprojekt mit der Generali-Arena und deren Umfeld haben. Transfersummen zu bezahlen ist schwierig, schon 500.000 Euro sind ein Irrsinn. Wir reden nicht von Millionen, die wir eh nicht haben. Im Sommer haben wir Friesenbichler und Monschein verpflichtet. Für beide haben wir ein Viertel der Summe ausgegeben, die wir für Kayode eingenommen haben. Wir haben Filipovic und Larsen verkauft, hatten einen Transfergewinn von rund sechs Millionen Euro. 2016 und 2017 waren wir in der Gruppenphase der Europa League, das sind noch einmal elf Millionen, die wir außerbudgetär eingespielt haben. Wenn mir einer sagt, wir haben Fehler gemacht, okay. Aber da sollte man auch die 17 Millionen erwähnen, die on top dazugekommen sind.

STANDARD: Okay, sie sind erwähnt. Trotzdem muss vieles schiefgelaufen sein.

Wohlfahrt: Ich übernehme die Verantwortung. Vielleicht habe ich zu wenig Nachdruck beim Trainerteam gezeigt, wenn mir etwas missfallen hat. Was mir bei Fink nicht gefallen hat, war der Vorwurf, dass wir die Abgänge nicht gleichwertig ersetzt haben. Alle Transfers waren mit ihm abgesprochen.

STANDARD: War die Entlassung von Thorsten Fink unvermeidlich? Kam sie zu spät?

Wohlfahrt: Warum zu spät? Es war der Augenblick, wo man ihn nicht mehr halten konnte. Es war eine Summe von Sachen, mit denen ich nicht einverstanden war, nicht nur die Niederlagen. Den schwarzen Peter lasse ich mir nicht zuschieben.

STANDARD: Sie haben auch die Spieler kritisiert, ihnen unprofessionelles Verhalten vorgeworfen. Es lag nicht nur am Trainer, oder?

Wohlfahrt: Ich habe die Spieler bewusst öffentlich ermahnt, denn es gibt Regeln, an die sich nicht immer alle gehalten haben. Das hat mir ganz und gar nicht gefallen, wir müssen wieder die Sinne schärfen.

STANDARD: Warum fiel die Wahl auf Thomas Letsch? War er der Einzige, der auf die Bedingungen eingestiegen ist? Trainer für zwölf Spiele zu sein ist ja nicht unbedingt eine großartige Vision. Wieso wurde keine Dauerlösung angedacht?

Wohlfahrt: Ich habe den Auftrag bekommen, jemanden zu suchen, der für drei Monate bereit ist. Das war eine Vorgabe der Klubspitze. Letsch scheut die Verantwortung nicht, er will die Chance nützen. Ihm geht es darum, etwas zu verbessern. Gelingt das, ist er logischerweise der erste Ansprechpartner.

STANDARD: Platz sieben, zwölf Punkte Rückstand auf einen fixen Europacupplatz. Das sind Ansprüche, die mit Verlaub eher Wolfsberg oder St. Pölten zugeordnet werden. Wäre eine Europacupteilnahme ein Wunder?

Wohlfahrt: Was wollen Sie wissen? Dass es eine schwierige Aufgabe wird, ist doch klar. Wir werden schon am Samstag gegen den WAC sehen, wohin die Reise geht. Dass es einen Trainerwechsel gibt, war zu erwarten. Aber es wird nicht reichen, wenn sich die Spieler nicht am Riemen reißen.

STANDARD: Wäre es ein Erfolg, würde der Rückstand zu Saisonende nur zwei oder drei Punkte betragen?

Wohlfahrt: Freilich kann man das sagen. Schaffen wir das kleine Wunder nicht und haben trotzdem Fortschritte gemacht, hat Letsch gut gearbeitet.

STANDARD: Die Situation des Wiener Fußballs ist ja generell nicht rosig, auch Rapid hat Probleme.

Wohlfahrt: Mich interessiert nur die Austria.

STANDARD: Das ist schön, aber trotzdem: Red Bull Salzburg scheint immer überlegener zu werden, die Schere geht weiter auf. Muss man als Austria oder Rapid resignieren?

Wohlfahrt: Was soll ich darauf antworten?

STANDARD: Irgendetwas.

Wohlfahrt: Als Sportler will man immer ganz vorne sein, du willst das Unrealistische erreichen. Als Mensch sollte man auch Realist sein, sonst brichst du dir gleich das Genick. Weltfremdheit lehne ich ab. Wir brauchen nicht extra erwähnen, dass in Salzburg ganz andere Mittel vorhanden sind. Ich denke, das hat schön langsam wirklich jeder kapiert. Falls nicht, tut es mir wirklich leid.

STANDARD: Was würde ein Verpassen des Europacups für die Austria bedeuten?

Wohlfahrt: Noch mehr Sparkurs. Vor drei Jahren hatten wir 15 Prozent mehr Budget zur Verfügung als heute. Ist man nicht im Europacup, geht es auch weiter. Da ist die Austria zu gefestigt, zu gut geführt. Wir müssten den Rollbalken nicht runterziehen. Ich will aber niemandem eine Ausrede geben, wir wollen es schaffen, die letzte Chance nutzen.

STANDARD: Die Austria steht historisch für schönen Fußball. Ist nun der dreckige Kick gefragt?

Wohlfahrt: Der Wunsch, schön zu siegen, bleibt. Aber wir müssen akzeptieren, dass es Gegner gibt, die das Künstlerische nicht zulassen. Auch vor 40 Jahren wurde die Austria mitunter kritisiert, vielleicht nicht so oft wie jetzt. Wir sollten von den zwölf Spielen neun gewinnen, egal wie, auch mit nicht so attraktivem Fußball.

STANDARD: Ergänzen Sie bitte den Satz: Sollte die Austria am Samstag daheim gegen den WAC verlieren, dann ...

Wohlfahrt: Den Satz möchte ich nicht ergänzen, ich denke nur an den Sieg. (Christian Hackl, 2.3.2018)