Larissa Krainer.

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Unter Druck: Öffentlich-rechtliche Sender wie der ORF werden attackiert oder sogar infrage gestellt.

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Im gesamten deutschsprachigen Raum (und weit darüber hinaus) ist eine Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Gange, der aus unterschiedlichen Perspektiven in Kritik geraten ist. Viele wollen ihn verändert wissen, manche politischen Systeme ihn vereinnahmend kontrollieren, einzelne Parteien ihn am liebsten abschaffen. Das weckt die Sorge anderer, die einen weitgehend unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine zentrale Säule der Demokratie halten. Daher haben sich jüngst rund 120 Medien- und KommunikationswissenschaftlerInnen in einem öffentlichen Aufruf an die Politik für den Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark gemacht.

Die Schweizer BürgerInnen haben sich am vorigen Sonntag bereits dafür entschieden, weiterhin ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Gebühren, zu deren Leistung alle verpflichtet sind, finanzieren zu wollen. Sie wollen also den Rundfunk, der ihnen gehört, weiterhin behalten und sich diesen auch leisten. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass sie ihn auch so wollen, wie er ist und er sich alles leisten kann.

Generelle Infragestellung gefährdet Meinungsvielfalt

Die Debatte verläuft derzeit nämlich auf sehr verschiedenen Ebenen, die dringend voneinander zu trennen sind. Die Frage, welche inhaltliche Breite eine bestimmte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (wie der ORF in Österreich) haben soll, oder die Frage, wie und in welcher Höhe sie finanziert werden soll, sollte dabei keinesfalls mit der Frage verwechselt oder vermengt werden, ob es ihn überhaupt geben soll.

Während die ersten beiden Fragen demokratiepolitisch berechtigt sind (und auch sein müssen!), gefährdet die generelle Infragestellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems das Gebot der Meinungsvielfalt, die – nicht ausschließlich, aber unter anderem – nur durch Medienpluralität zu gewährleisten ist.

Meinungsvielfalt wie Medienpluralität entsprechen dem Ideal eines Pluralismuskonzeptes, das Basis jeder Demokratie und eine ihrer wichtigsten Errungenschaften ist. Es besagt, dass alle Meinungen gleichberechtigt sind und zwischen ihnen ein Ausgleich geschaffen werden soll. Die Rolle der Medien ist es in diesem Kontext, unterschiedlichen Meinungen zur Darstellung zu verhelfen (Artikulationsmöglichkeit), eine gegenseitige Konfrontation derselben herbeizuführen und einen Ausgleich (bzw. Konsens) zwischen ihnen herzustellen. Verfassungen gewährleisten den rechtlichen Rahmen, der letztlich die nötigen Freiheiten dafür bietet.

Die schwierige Frage der Vielfalt

Die Frage, wann hinreichende Vielfalt gegeben ist, ist allerdings wissenschaftlich weder einfach noch eindeutig zu beantworten. Immerhin lassen sich aber Kriterien benennen, die für eine Beurteilung dessen herangezogen werden. Dazu zählt erstens das Vorhandensein verschiedener Medienarten wie Rundfunk, Fernsehen, digitale Medien, Printmedien (Tages-, Wochenzeitungen, Magazine etc.); zweitens eine Streuungsvarianz von Medien im Sinne deren internationaler, nationaler, regionaler oder lokaler Ausrichtung wie Verfügbarkeit; drittens die strukturelle Vielfalt von Medienorganisationen, also eine gute Mischung aus öffentlich-rechtlich und privatwirtschaftlich organisierten Medien, solchen, die kommerziell und welchen, die nichtkommerziell ausgerichtet sind (wie etwa freie Radios). Ist all das gegeben, spricht man von einer "äußeren Medienvielfalt".

Von öffentlich-rechtlichen Medien wird darüber hinaus in besonders hohem Maß erwartet, dass sie auch für eine innere Medienvielfalt bürgen, also erstens eine breite inhaltliche Vielfalt abdecken (Information, Unterhaltung etc.), zweitens über verschiedene Ressorts verfügen, drittens für eine ausgewogene Darstellung unterschiedlicher Interessen wie (insbesondere politischen) Meinungen sorgen, viertens auch eine gewisse Pluralität durch die angestellten JournalistInnen selbst gewährleisten und fünftens weitgehend unabhängig von politischen Einflüssen agieren und agieren können.

Demgegenüber wird von Regierungen erwartet, dass sie grundlegende Freiheiten der Medien garantieren, die letztlich die Aufgabe erfüllen, über politische Vorhaben und Ereignisse korrekt und ausgewogen zu berichten, das politische System zu beobachten und es gegebenenfalls auch zu kritisieren. Je mehr Einschränkungen politisch gesetzt werden, umso größer die Sorge über den demokratischen Zustand des Staates und wo kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, da keine Demokratie. Je politisch unabhängiger der öffentlich-rechtliche Rundfunk arbeiten kann, desto höher kann seine publizistische Qualität sein.

Gestaltung ist Frage der Büger

Das besagt allerdings noch nichts darüber, wie viele Sender eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt betreiben soll, wie hoch das Budget für sie sein muss, oder ob es der Rundfunkanstalt hinreichend gelingt, für eine ausgewogene politische Berichterstattung zu sorgen. Denn dagegen richtet sich die meiste – mitunter wohl auch berechtigte – Kritik.

Weder Medien noch Politik scheinen hier prädestiniert, alleine zu entscheiden, zumal sie (durchaus auch legitim) dabei je eigene Interessen verfolgen. Manche Fragen sind eindeutig ein Fall für die Wissenschaft. Letztlich ist es aber eine Sache der Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden, wir ihr öffentlich-rechtlicher Rundfunk gestaltet sein soll sowie für seine Steuerung und Aufsicht zu sorgen. (Larissa Krainer, 6.3.2018)