Eine der Kaffeebars in Belgrad, die es mittlerweile an jeder Ecke gibt.

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Es gibt hunderte Flöße an der Save und an der Donau: vornehm, heruntergekommen, teuer, billig, auch architektonische Schmuckstücke – für jeden etwas, ganz nach Geschmack und Belieben.

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Ein Espresso am Morgen im Café Cvetic (Blümchen) in der Njegoseva-Straße, einer der ersten kleinen Kaffeebars in Belgrad, wie es sie heute an jeder Ecke gibt. Im Sommer sind die Schanigärten den ganzen Tag über voller Menschen, und Belgrad bekommt ein mediterranes Flair. Im Blümchen sitzt man dann im tiefen Schatten.

Dann zum Brunch gewürzte Kutteln im Kalenic am gleichnamigen Bauernmarkt, einem der letzten verbliebenen Beisln im breiten Zentrum Belgrads. Im Zuge der Privatisierung haben serbische Tycoons fast alle verrauchten, doch charmanten, traditionellen Lokale mit gutem, billigem serbischem Essen gekauft und daraus Schickimicki-Restaurants mit "internationaler", will heißen schlechter, teurer Küche gemacht.

Zu den Flüssen gehen

Später am Nachmittag saftiges Grillfleisch bei Papa Joe's, etwas abseits beim Neuen Friedhof. Die Cevapcici und Pljeskavicas, nach denen Ausländer in Belgrad stets auf der Suche sind, sind im Zentrum meistens nichts als fades oder versalzenes Faschiertes, plattgedrückt oder eben gerollt.

In seiner Stadt hat man seine Routinen, Routen und Lokale. Wenn ich dem Alltagsleben und dem Gedränge entkommen möchte, gehe ich zu den Flüssen: Die Save mündet in Belgrad in die Donau. Einige Stunden ins langsam fließende Wasser zu schauen hat therapeutische Wirkung. Vor allem für Stadtmenschen.

Weder noch

Es gibt hunderte Flöße an der Save und an der Donau: Cafés, Restaurants, Fischrestaurants, Discos, Nachtklubs, vornehm, heruntergekommen, teuer, billig, auch architektonische Schmuckstücke – für jeden etwas, ganz nach Geschmack und Belieben. Ich ziehe Druga prica (Andere Geschichte) in Semlin, an der Donau, in der Nähe vom Hotel Jugoslavija vor.

Warum in dieser Vielfalt ausgerechnet dieses Floß? Schwer zu sagen. Vielleicht, weil es irgendwie zwischen allem liegt: Es ist weder zu stilisiert noch zu schäbig; die Küche ist weder zu einfach noch zu kompliziert; die Kellner sind weder übertrieben höflich noch unhöflich; es ist weder zu weit entfernt von meiner Wohnung noch zu nahe, eine Brücke und einige Kilometer von der City entfernt, und man kann in der Nähe parken.

Zwischen den Welten

Und wohl am wichtigsten: Man sitzt direkt auf dem und am Wasser, ist tagsüber, vor allem in den Morgenstunden, oft völlig allein. Es ist ein Ort wie geschaffen für schöne Erinnerungen. Auch im Winter, aber mehr noch im Sommer. Belgrad ist eine Sommerstadt.

In der "Anderen Geschichte" verweilt man zwischen den Welten: Flussaufwärts liegen Budapest, Bratislava, Wien, der Schwarzwald; flussabwärts die Wildnis des Eisernen Tors, das Schwarze Meer, man sieht das Zentrum Belgrads. Alles, was serviert wird, ist einfach gut. Und die Ruhe, die einen umringt, lässt einen wie in einer anderen Geschichte zurück.(Andrej Ivanji, RONDO, 16.3.2018)