Im vergangenen Jahr am häufigsten gerügt: die "Kronen Zeitung".

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Wien – Im vergangenen Jahr sind beim Presserat mehr Beschwerden eingelangt, die Anzahl der Verstöße gegen den Ehrenkodex aber gesunken. Das zeigt der Tätigkeitsbericht für das Jahr 2017, den der Presserat am Mittwoch präsentierte. Von 320 eingebrachten Fällen haben die Senate in 27 Verstöße gegen den Ehrenkodex festgestellt. Zehnmal hat die "Kronen Zeitung" gegen den Kodex verstoßen, "Österreich" rügte der Presserat in sechs Fällen, auf Platz drei liegt mit drei Verstößen die Gratiszeitung "Heute". Bei anderen Zeitungen wurde maximal zweimal gegen das Medium entschieden.

Thomas Götz, stellvertretender Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" und seit Dienstag neuer Präsident des Österreichischen Presserats, nannte es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass sich Medien dem Ehrenkodex der Organisation freiwillig verpflichten, denn: "Es ist eine wichtige Selbstreinigungsfunktion für die Presse."

Die sinkenden Verstöße bei steigender Fallzahl zeigen, dass "die Senate sehr sorgsam mit ihren Instrumenten umgehen", sagte Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserats, am Mittwoch vor Journalisten. Insgesamt gab es mehr Persönlichkeitsverletzungen, dafür weniger Verstöße wegen Diskriminierung. Warzilek führt das darauf zurück, dass sich die Flüchtlingssituation beruhigt habe.

Unnötige Details bei Kindesmissbrauch

Einen Eingriff in die Intimsphäre stellte etwa ein auf oe24.at erschienener Artikel dar, der den Missbrauch einer Dreijährigen genauestens schilderte. Das öffentliche Interesse rechtfertige die Details nicht, urteilte der Presserat in seiner Entscheidung: "Ein derart detaillierter Bericht über den sexuellen Missbrauch ist mit dem Informationsbedürfnis der Leserinnen und Leser nicht in Einklang zu bringen." Auch australische Medien hätten detailliert berichtet, betonte der Anwalt von oe24.at.

Das Ethikverständnis österreichischer Medien sei mit britischen – oder in diesem Fall australischen – Medien nicht zu vergleichen, konterte der Presserat und appelliert an Journalisten, aufzupassen, wenn Berichte aus dem Ausland übernommen werden.

Leserbriefe fallen auch unter Ehrenkodex

Auch Leserbriefe seien vom Ehrenkodex nicht ausgeschlossen, betonte Senatsvorsitzende Andrea Koma. Vergangenes Jahr entschied der Presserat etwa, dass ein in der "Kronen Zeitung" abgedruckter Leserbrief gegen den Ehrenkodex verstößt. Unter dem Titel "Migration aus Afrika" warnte die Verfasserin vor der "vorstoßenden schwarzen Amanda" und bezeichnete Flüchtlinge als "Invasoren" und "Eindringlinge" – für den Presserat eine pauschale Verunglimpfung. Auch wenn die Meinungsfreiheit bei Kommentaren und Leserbriefen sehr weit reiche, seien die Grenzen der Diskriminierung überschritten worden.

Politiker müssen Kritik aushalten

Politiker müssen sich laut Presserat weiterhin mehr gefallen lassen: etwa Meldungen, die den einstigen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und seinen Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) betrafen. In einem Fall, der zumindest indirekt Kurz betrifft, wurde aber ein Verstoß registriert, wie Senatsvorsitzender Peter Jann erinnerte. So sei eine Anzeige über den künftigen Kanzler über dessen Wurzeln nicht ausreichend als solche gekennzeichnet gewesen.

Suizidberichterstattung

Besserung gebe es auch bei der (Nicht-)Berichterstattung über Suizide. "Früher gab es ein Gentlemen's Agreement", sagte Warzilek. Heißt: möglichst auf Details zu verzichten, um Nachahmung zu verhindern. In den vergangenen Jahren seien aber einzelne Medien ausgerissen und hätten umfassend über Suizide berichtet.

Beschwerden kommen hauptsächlich von Lesern

In erster Linie würden sich Leser an den Presserat wenden – in nur 17 Fällen kam die Beschwerde von direkt Betroffenen. Grundsätzlich können die Senate des Presserats auch selbstständig Verfahren einleiten. "Es ist uns aber lieber, wenn die Beschwerden von außen kommen", sagt Warzilek. Auch NGOs würden sich immer häufiger beim Presserat beschweren. "Wir haben aber auch einige Stammkunden", gab Jann zu. (pp, APA, 7.3.2018)