Wien – Toll, wenn man in einem Konzert gleich zwei verschiedene Welten präsentiert bekommt: erst die Welt im Kleinen und dann die ganz große. In der ersten Hälfte des Gastspiels des NDR-Elbphilharmonie-Orchesters unter der Leitung von Thomas Hengelbrock im Konzerthaus war ein Ausflug nach Minimundus angesagt. Bei der feinfühligen Interpretation von Mozarts c-Moll Klavierkonzert KV 491 mutierte der Klangkörper aus Hamburg zum Kammerorchester.

Wie auf Zehenspitzen schlich das erste Thema heran und schwang sich nach zwölf Takten bestenfalls zu einem Puppenstuben-Forte auf. Die meisten Akzente hatten einen Benimmkurs absolviert, selbst die Rage durfte nur onduliert auftreten.

Auch Solist Piotr Anderszewski hatte sich den leisen Tönen verschrieben. Einzigartig, wie feinfühlig und akribisch der Pole der kleinsten harmonischen Wendung nachspürte: wundervoll die Vielfalt seiner Stimmungszeichnung, beglückend der spontane Gestus seines Musizierens. Und doch war vieles nah dran an der glattpolierten Nettigkeit: ein Slim-Fit-Mozart, adrett und politisch korrekt. Der geniale, sympathische Solist gab ein Andante von Janácek zu.

In der zweiten Programmhälfte wurde in 70 Minuten um und in die Welt von Mahlers fünfter Symphonie gereist. Es war atemberaubend. Hexensabbat und Heiligsprechung, bleischwere Düsternis und grelle Dämonie: All das liegt bei Mahler ja nur ein paar Takte nebeneinander.

Prächtige Farben

Thomas Hengelbrock und die klug, engagiert und auf kluge Weise engagiert musizierenden Elbphilharmoniker führten die üppige Flora und die Fauna dieses Werks in den sattesten, prächtigsten Farben, mit Tiefenschärfe und in HD vor.

Eine Interpretation, die in ihrer Dynamik und Vitalität an jene von Claudio Abbado und dem Lucerne Festival Orchestra erinnerte. Man muss es als Verlust bezeichnen, dass die NDR-Elbphilharmonie diesen ungemein kundigen Orchesterleiter in wenigen Monaten vorzeitig verliert. (Stefan Ender, 7.3.2018)