Teilzeit beschneidet den Lohn und die spätere Pension, eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist jedoch auch viel wert.
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Es gibt Wichtigeres im Leben als die Arbeit: Wer seine Kinder unter der Woche nicht nur in der Früh und am Abend sehen will, ist mit Teilzeit gut bedient. Lücken im Kinderbetreuungsangebot, wie es sie hierzulande noch vielfach gibt, lassen sich überbrücken – und so hoch ist der Standard in manchen Krippen, Kindergärten und Horten dann auch nicht, dass der Nachwuchs dort jeden Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit darben muss.

Außerdem: Ein bissl Egoismus darf schon sein. Wann sonst haben Mütter und Väter Zeit für sich, wenn nicht an einem freien Wochentag, an dem die Sprösslinge in Kindergarten oder Schule sind? Auch Menschen ohne Kindern tut ein partieller Ausbruch aus dem Hamsterrad gut, zumal der Stress in der Arbeitswelt steigt. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist viel wert.

Von wegen Falle: Werden bei den Männern tatsächlich tendenziell Vollzeit- durch Teilzeitjobs verdrängt, so ist der Boom bei den Frauen vielmehr damit zu erklären, dass neue Stellen entstanden sind. Für die meisten weiblichen Betroffenen bedeutet diese Entwicklung also keinen Abstieg – sie haben vor dem Teilzeitjob gar nicht gearbeitet. Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass all diese Frauen nur deshalb in begrenztem Ausmaß arbeiten, weil keine Vollzeitposten angeboten werden. Zweifellos habe das Angebot der Teilzeit vielen Frauen überhaupt erst ermöglicht, in die Erwerbstätigkeit einzusteigen, sagt Ulrike Huemer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo): Wer etwas älter und gesundheitlich angeschlagen sei oder Kinder habe, schaffe den Fulltimejob eben nicht.

Laut einer Wifo-Studie geben lediglich 11,4 Prozent der Teilzeitlerinnen als Grund an, dass sie keinen Vollzeitjob finden – kein Hinweis auf weitverbreiteten Zwang. Eine Untersuchung des Linzer Instituts für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich kommt beim geringen Sample von 364 Befragten diesbezüglich zwar auf 29 Prozent, doch von einer Mehrheit ist auch da keine Rede. Satte 80 Prozent sind demnach mit ihrer Arbeitszeit zufrieden. Eine von der ÖVP beauftragte OGM-Umfrage kam gar zum Schluss: 96 Prozent der weiblichen Teilzeitbeschäftigten sind solche aus eigenem Wunsch.

Ja, der Freiraum ist mit finanziellen Einbußen erkauft (siehe Gegenargumente rechts), doch Teilzeit muss ja nicht für immer sein. Wer diese etwa für Weiterbildung nutzt, investiert in späteren beruflichen Erfolg. Genaue Rechner werden überdies draufkommen, dass dann mehr Netto vom Brutto bleibt, zumal die Lohnsteuer bei niedrigem Einkommen weniger hart oder gar nicht zuschlägt. Dass eine Teilzeitstunde, wie schon behauptet wurde, per se schlechter bezahlt wird, hat eine Wifo-Studie widerlegt.

Außerdem könne kluge Politik die Folgen abfedern, sagt die ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm, möglich sei das etwa mit einem "Pensionssplitting": Der erwerbstätige Elternteil würde dann für die geleisteten Jahre der Kindererziehung einen Teil seiner Pensionskontogutschrift an den Erziehenden übertragen.

Und wenn da wer mit feministischen Bedenken kommt: Obwohl es erst von der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2004 umgesetzt wurde, war das Recht auf Teilzeit für Eltern ursprünglich eine Forderung ausgewiesener Frauenpolitikerinnen. Mutter der Idee ist die heutige Seniorenbundchefin Ingrid Korosec (ÖVP), später entdeckten die Sozialdemokraten das Thema für sich – allen voran die rote Frauenrechtspionierin Johanna Dohnal, die für eine "verkürzte Arbeitszeit mit Rückkehr-Garantie" in den Vollerwerb für Eltern kämpfte.

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Mehr Zeit für Kinder, Weiterbildung oder Hobbys ist teuer erkauft: Teilzeit beschneidet nicht nur den Lohn, sondern auch die spätere Pension – das gilt umso mehr, als sich diese im Gegensatz zu früher nicht mehr nur an den Jahren mit dem besten Verdienst bemisst. "Frauen lösen eine Lawine für den Rest ihres Lebens aus, weil sie über Jahre weniger verdienen, in die Pensionsfalle tappen und in die Altersarmut schlittern", warnt Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und trifft sich da mit den Aktivistinnen des aktuellen Frauenvolksbegehrens. Sie könne den Wunsch nach Teilzeit gut verstehen, sagt Sprecherin Andrea Hladky, selbst zweifache Mutter und langjährige Teilzeitkraft: "Er rächt sich bloß bald."

Eine Berechnung zeigt: Wird mehr als die Hälfte des Erwerbslebens 20 Stunden gearbeitet, fällt das Lebenseinkommen gegenüber 30 Stunden um bis zu 30 Prozent geringer aus. Nicht auszudenken, wenn eine Frau nach einer Scheidung dann auch noch allein dasteht, ergänzt Wifo-Expertin Huemer und nennt weitere Nachteile: Wer Teilzeit arbeitet, wird von Arbeitgebern seltener zur Weiterbildung eingeladen und schon gar nicht zur Führungskraft gemacht. In vielen Fällen werde Teilzeit nach der Karenz "zur Karrierefalle schlechthin", warnt Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservices.

Dass sich so viele Frauen, wie Studien suggerieren (siehe links), wirklich freiwillig dorthin begeben, relativieren Skeptiker(innen). Nur eine Minderheit möge eine Vollzeitstelle anstreben, doch es gibt ja auch Beschäftigte, die im Rahmen der Teilzeit mehr arbeiten wollen. Laut Wifo-Studie wollen teilzeitbeschäftigte Frauen im Schnitt um 2,4 Stunden mehr pro Woche arbeiten. Je kürzer die Arbeitszeit, desto höher der Wunsch.

Außerdem sei die Entscheidung immer auch eine Frage der Alternative, sagt Huemer: Wenn eine Frau angibt, dass sie wegen der Kinder Teilzeit arbeiten will, könne dahinter stecken, dass sie keine Aussicht auf Kinderbetreuung hat. Freiwilligkeit sieht anders aus.

Apropos Wahlmöglichkeit: Im Handel etwa, klassische Frauendomäne, würden praktisch keine Vollzeitposten mehr angeboten, sagt Anita Palkovich von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Ausgeklügelte EDV-Systeme rechneten für Handelsunternehmen aus, wie sich die Arbeitszeit ideal an Kundenfrequenz und Liefertermine anpassen ließe – und spuckten Teilzeitmodelle aus. Was Palkovich noch beobachtet: Wer etwa wegen Kindern die Arbeitszeit reduziert, habe hinterher oft keine Chance, in die alte Vereinbarung zurückzukehren.

Und dann bleibt in den Augen der Kritikerinnen noch eine grundlegende Ungerechtigkeit. Während nur 10,7 Prozent der unselbstständig beschäftigten Männer Teilzeit arbeiten, sind es bei den Frauen 48,1 Prozent. Warum, ist klar: Während die Männer auch in dem Alter, in dem Familien Kinder kriegen, auf vollen Touren weiterhackeln, rasselt die Vollzeitquote der Frauen ab 25 Jahren in den Keller. "Männer leisten einen Großteil der bezahlten Arbeit, Frauen übernehmen den unbezahlten Part, das kann nicht sein", sagt Hladky und nennt als Lösung die vom Frauenvolksbegehren geforderte generelle Arbeitszeitverkürzung auf eine Dreißigstundenwoche: "Frauen arbeiten statt zwanzig Stunden dreißig und Männer dreißig Stunden statt vierzig – das hätte Vorteile für alle."

Dass eine andere Aufteilung möglich ist, zeigt Schweden. Dort stehen noch mehr Frauen im Erwerbsleben, dennoch ist die Teilzeitquote niedriger. Schwedinnen in Teilzeit arbeiten aber deutlich mehr Stunden pro Woche als Österreicherinnen – Vollzeitkräfte beider Geschlechter dafür weniger. (Gerald John, Katharina Mittelstaedt, 8.3.2018)