Zweimal lud die Stadt Anrainer und Anrainerinnen des Wohnkomplexes Attemsgasse zur Bürgerbeteiligung. Abgefragt wurden Lieblingsplätze, Wünsche für die Neugestaltung, aber auch Angsträume.

Foto: Christian Fürthner

Wien – Wie baut man eine gendergerechte Stadt? Dieser Frage stellt sich die rot-grüne Stadtregierung Wiens. "Die Wege von Männern sind oft sehr geradlinig", sagt Eva Kail von der Magistratsabteilung 57 – Frauenförderung. Überspitzt formuliert bedeutet das: Männliche Wege verlaufen etwa von der Arbeit ins Fitnesscenter und dann nach Hause. "Die Wege von Frauen verlaufen hingegen oft im Zickzack. Es sind sogenannte Wegeketten: Sie gehen in die Putzerei, bringen die Kinder in den Kindergarten, machen Einkäufe und begleiten das ältere Kind zu außerschulischen Aktivitäten", erklärt Kail.

Denn Frauen sind – vor allem sobald Nachwuchs im Spiel ist – zu einem großen Teil für Hausarbeit und Kinderbetreuung zuständig. So ist laut dem Gleichstellungsmonitor der Stadt Wien nur bei einem Viertel der Paare mit Kindern die Erwerbsarbeit gleich verteilt. Bei mehr als der Hälfte ist die Frau bei Vollzeitbeschäftigung des Mannes gar nicht oder nur teilzeitbeschäftigt. Hinzu kommen zehn Prozent der Paare mit einem Elternteil in Karenz – was nach den Daten des Kinderbetreuungsgeldbezugs mehrheitlich Frauen betrifft: 92 Prozent des Kinderbetreuungsgeldes werden in Wien an Frauen ausbezahlt.

Weibliche Stadt

2015 wurde im Regierungsübereinkommen von Rot-Grün II daher das Projekt "Die Stadt" verankert. Auf einem etwa drei Hektar großen Areal zwischen der Attemsgasse und der Parkanlage Schrickgasse wird ein Teil dieses Modellprojekts seit vergangenem Jahr umgesetzt. Hier entsteht ein Wohnquartier mit insgesamt 600 Wohnungen – für Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) gehören die Pläne des Komplexes "zur alltags- und frauengerechten Stadtteilplanung". Denn "gelebte Gleichstellungspolitik einer modernen Stadt wie Wien bedeutet, für Frauen und Männer gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen", sagt Frauenberger.

Der Baubeginn ist frühestens für 2020 angesetzt, einziehen kann man ab 2022. Die Planung des Wohnkomplexes inklusive Parkanlage und der Wege rund um den Bau erfolgte durch ein Frauenteam. Für das städtebauliche Planungsverfahren wurden zudem zwei Bürgerbeteiligungsprozesse durchgeführt. Anrainer aus einem Umkreis von 500 Metern sollten ihre Anliegen einbringen. Befragt wurden sie nach Treffpunkten in der Umgebung, Angsträumen, wie schlecht beleuchteten Gassen, und Ähnlichem. "Allen Zielgruppen gemeinsam ist der Wunsch nach attraktivem Freiraum", sagt Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne).

Kurze Wege

"Wir brauchen die Stadt der kurzen Wege", sagt Frauenberger. Denn dadurch wird geschlechtergerechtes Leben ermöglicht, findet auch Kail. Aber nicht nur, dass Kinderbetreuungs-, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten in einem erreichbar sind, sei wichtig. Auch in den Häusern sollte einiges beachtet werden. "Es sind Dinge, die auf den ersten Blick bei der Besichtigung einer Wohnung vielleicht gar nicht relevant scheinen", sagt Kail, die das Projekt "Die Stadt" leitet. Etwa sollen gendergerechte Wohnbauten ausreichend Möglichkeiten bieten, um Kinderwagen zu verstauen.

Das Handbuch der Stadt Wien für eine gendergerechte Stadtplanung schlägt zudem Wohnungsumrisse vor, die sich an die Lebenssituation anpassen können. So muss darauf achtgegeben werden, dass der Küchenerker auch mit Fenstern ausgestattet ist, damit jene, die für das Kochen verantwortlich sind, zu Tageslicht kommen. Die Größe aller Schlafzimmer sollte gleich groß sein – damit diese auch getauscht werden können, wenn ein oder mehrere Kinder ins Leben der Mieter treten. "Als Eltern hat man seine Kinder gern im Blick, aber Teenager wünschen sich oft das Zimmer neben dem Eingang", so Kail.

Schulwege im Blickfeld

Im Blick sollten auch die Schulwege liegen. "Soziale Kontrolle ist wichtig", sagt Andrea Eggenbauer von der Magistratsabteilung 21 – Stadtteilplanung. Denn Schulwege sollten Kinder weniger durch schlecht beleuchtete Parks, sondern vermehrt an Hausfronten entlangführen. Im besten Fall mit vielen Fenstern zu zentralen Zimmern und nicht nur Abstellkammern.

Auch die Mobilität ist ein Faktor, der mitgedacht wird: Frauen sind laut dem Gleichstellungsmonitor täglich länger zu Fuß unterwegs als Männer. Während diese eher das Fahrrad wählen: 14 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer fahren zumindest einmal pro Woche länger als zehn Minuten mit dem Rad. Bei der Planung müssten auch diese Faktoren einbezogen werden, da Frauen mehr Wert auf ausgebaute Gehsteige legen (Oona Kroisleitner, 8.3.2018)