Im Alter wirkt nicht nur der niedrigere Verdienst nach, auch das niedrigere Pensionsalter drückt das Einkommen der Frauen.

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Brüssel/Wien – Die neue Regierung erhält von der EU-Kommission einiges Lob für Bürokratieabbau und Arbeitsmarktflexibilisierung. In wichtigen Bereichen enthält ein neuer Länderbericht zu Österreich aber auch viel Kritik. Vor allem bei den Pensionen und im Gesundheitssektor, aber auch im Steuersektor ortet die Kommission Schwachstellen.

Die EU-Kommission empfiehlt, "nun Reformen anzugehen, die jahrelang nur halbherzig gemacht worden sind".
ORF

Besser beurteilt die EU-Kommission die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und bei den öffentlichen Finanzen. Ein Überblick:

Pensionen

Die EU-Kommission erkennt zwar die Fortschritte in Österreich bei der Anhebung des effektiven Pensionsalters im Zusammenhang mit den Reformen bei der Invaliditätspension und der Hacklerregelung an, allerdings gibt es auch einen gegenläufigen Trend: Die demografische Entwicklung – steigende Lebenserwartung und niedrige Geburtenraten – führt zu noch größerem Handlungsbedarf als bisher angenommen. Die Pensionsausgaben von derzeit 13,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden bis 2040 um 1,1 Prozentpunkte zulegen, heißt es in dem Länderbericht. Im EU-Schnitt liegt der Zuwachs in dieser Periode bei 0,8 Prozentpunkten.

Simulationen zeigen, dass auch ein höheres effektives Pensionsalter in der Gegend von 65 Jahren (derzeit 60 Jahre) den Druck nur mäßig reduzieren würde. Würde das gesetzliche Pensionsalter hingegen an die steigende Lebenserwartung geknüpft, könnte die Belastung um 2,3 Prozentpunkte des BIP gegenüber dem Basisszenario (keine Änderungen) gesenkt werden, meint die EU-Kommission. Wegen einer fehlenden Automatik hält der Bericht fest, dass Österreich bei der finanziellen Nachhaltigkeit der Pensionen "keinen Fortschritt" erzielt habe.

Ebenfalls angeprangert werden das niedrige Pensionsalter für Frauen und die langsame Anpassung, die erst 2024 einsetzt und zehn Jahre dauern wird. Dieses System fördere niedrige Pensionen und – gemeinsam mit der schlechteren Entlohnung von Frauen – deren Altersarmut.

Gesundheit

Auch hier sorgt die Alterung der Gesellschaft für einen gewissen finanziellen Druck. Stärker als bei den Pensionen ortet die EU-Kommission aber hohe administrative Kosten, die sie mit 0,4 Prozent des BIP oder 1,47 Milliarden Euro angibt. Das entspricht den doppelten durchschnittlichen Ausgaben in der Europäischen Union. Die von der Regierung geplante Zusammenlegung der Sozialversicherungen auf fünf Körperschaften halten die Brüsseler Experten daher für einen richtigen Schritt.

Auch über die Entlastung der (vergleichsweise teuren) Spitäler und die Forcierung von Primärversorgungszentren ließen sich hohe Einsparungen erzielen. Zudem sieht die Kommission Potenzial in der Prävention, wobei die Zurücknahme des Rauchverbots in Lokalen eine "vergebene Chance" zur Reduktion der Gesundheitsrisiken sei.

Steuern

Die EU-Behörde kümmert sich nicht nur um die Abgabenhöhe, sondern achtet darauf, dass an den richtigen Schrauben gedreht wird. Zentral ist aus ihrer Sicht die Abgabensenkung bei kleinen Einkommen, weil damit Anreize geschaffen werden, einer Beschäftigung nachzugehen. Hier spricht die Kommission konkret die hohen Sozialabgaben bei kleinem Verdienst an, die dazu führen, dass 42,8 Prozent der Arbeitskosten abgeführt werden müssen.

Spielraum für eine Entlastung der Arbeitseinkommen wird im Länderbericht ausreichend gesehen. Vor allem beim niedrigen Grundsteueraufkommen von 0,2 Prozent des BIP – in der EU liegt der Durchschnitt beim Achtfachen – gibt es laut Kommission viel Potenzial. Bei den Umweltabgaben liegt Österreich zwar in etwa im europäischen Mittel, doch auch hier könnte man stärker zulangen, um im Gegenzug Sozialbeiträge zu senken. Zudem spricht die EU-Kommission Steuervorteile von Firmenautos an, die nach früheren Berechnungen 558 Millionen Euro ausmachten. Inwieweit die Summe nach Änderungen im Rahmen der Steuerreform noch gültig ist, bleibt offen.

Regulierung

Die Kommission plädiert für weiteren Abbau von Bürokratie und Zugangshürden für Unternehmer. Genau in diese Kerbe hat Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch geschlagen. Neben der Verankerung des Wirtschaftsstandortes in der Verfassung hat er Maßnahmen präsentiert, mit denen Betriebsanlagengenehmigungen entfallen. (Andreas Schnauder, 7.3.2018)