Versprechen am Parteitag: Michael Ludwig wollte auch die Schieder-Wähler ins Boot holen. Bis dato gelingt das eher weniger.

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Ende Jänner haben die Wiener Sozialdemokraten Michael Ludwig zu ihrem Vorsitzenden gewählt, im Mai soll er dann auch Bürgermeister der Bundeshauptstadt werden. Das Erste, was Ludwig in der Euphorie seines Wahlerfolgs sagte, war, er werde "auch jenen die Hände reichen, die mich heute nicht gewählt haben". Das waren gar nicht wenige, immerhin 43 Prozent der Delegierten entschieden sich damals für Ludwigs Gegenkandidaten Andreas Schieder.

Schon die Kandidatur der beiden bildete ab, was der Wiener SPÖ seit Jahren zu schaffen macht: die interne Spaltung in ein linkes und ein rechtes Lager. Ludwig zählt zu Letzterem. Er hat aus seiner innerlichen Distanz zur rot-grünen Stadtregierung nie ein Hehl gemacht. Und er gilt als einer jener SPÖ-Politiker, die keine Berührungsängste gegenüber der FPÖ haben.

Das alles wollte er am Tag, als sich die Wiener SPÖ-Funktionäre für ihn entschieden, vergessen machen. Er sprach von Brückenbau und davon, dass das Lagerdenken fortan in der SPÖ verpönt sei und man nunmehr an einem gemeinsamen Strang ziehen wolle.

Das Gegenteil

Was seither geschah, ist allerdings das Gegenteil von dem, was man tun sollte, wenn man parteiinterne Versöhnung anstrebt. Ludwig sieht zum Beispiel seit Wochen taten- und wortlos zu, wie das unterlegene "linke" Lager von der "Kronen Zeitung" zerlegt wird. Vor allem gegen Finanzstadträtin Renate Brauner schießt das Blatt tief – wenn etwa just knapp vor dem Frauentag ihre "Ballroben" thematisiert werden und sie dabei möglichst unvorteilhaft ins Bild gerückt wird. Was das sein soll, wenn nicht eine finale Abrechnung mit einer ungeliebten Feministin, erschließt sich obendrein nicht – Brauner hat ohnehin immer klargestellt, dass sie gehen wird, wenn auch Michael Häupl geht.

Auch gegen die rot-grüne Verkehrspolitik wird seit Jahren gewütet, man versteht sich als Lobby für Auto- und gegen Radfahrer. Die Attacken wurden zuletzt wieder verstärkt. Einen guten Vorwand bot da ein provokantes "Spiegel"-Interview des emeritierten TU-Professors und Verkehrsplaners Hermann Knoflacher. Dessen provokante Aussagen ("Haben Autofahrer bewusst genervt") dienen als Beweis für die grundsätzlich bösen Absichten der Grünen, wenn es um den Straßenverkehr geht. Dass Knoflacher dabei von den 1970er-Jahren sprach, einer Zeit, lange bevor es die Grünen überhaupt gab, wurde nicht berichtet. Damit steht auch ein bisheriger Grundkonsens innerhalb der SPÖ in Frage: dass der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln Priorität vor allem anderen hat.

Macht der Bezirke

Interessanterweise wurde vor kurzem auch das angeblich zu hohe Gehalt von Bezirksvorsteherstellvertretern thematisiert. Das kann nicht im Sinne Ludwigs sein, den gerade die Delegierten der großen "Flächenbezirke" auf den Schild gehoben haben – im Vertrauen darauf, er möge sein Versprechen, die Autonomie der Bezirke zu stärken, auch wahrmachen.

Der designierte Wiener Bürgermeister präsentiert sich trotz alledem, ganz in Werner Faymann'scher Tradition, fotogen auf Kuschelkurs mit der "Krone", etwa zum Geburtstag von Kolumnist Michael Jeannée.

Abgesehen davon, dass dies bisherige Ludwig-Skeptiker in der SPÖ möglicherweise nicht überzeugt, erscheint auch die politische Strategie dahinter nicht ganz klar. Offenbar ist man im Umfeld des Noch-Wohnbaustadtrats der Ansicht, man müsse bisherige rote Positionen so korrigieren, dass man auch wieder für jene Wiener wählbar ist, die zur FPÖ übergelaufen sind. Das könnte freilich ein Trugschluss sein – selbst in Kärnten gelang es Wahlsieger Peter Kaiser nicht, Blau-Wähler in Scharen von sich zu überzeugen. Einstige Haider-Anhänger blieben lieber zu Hause.

Modernes Potenzial

Wien wäre als einzige Millionenmetropole Österreichs dazu prädestiniert, sich als liberales, modernes, weltoffenes Gegenmodell zu den konservativen Positionen der Bundesregierung zu positionieren. Dafür muss man aber auch eine entsprechende Wählerklientel ansprechen.

Das ist Ludwigs Vorgänger Michael Häupl und davor Helmut Zilk immer wieder gelungen. Der Neue scheint aber, zur Sicherheit, lieber auf die alte Kernwählerschicht zu setzen – die allerdings aus Altersgründen immer kleiner wird. Das liberale Wiener Potenzial ist jenes, das zuletzt Alexander Van der Bellen im Präsidentschaftswahlkampf voll ausgeschöpft hat. Will Ludwig à la longue Bürgermeister bleiben, sollte auch er darauf setzen. Im Moment tut er das Gegenteil. (Petra Stuiber, 9.3.2018)