Eine Person hat auf der Praterstraße beim U-Bahn-Aufgang Nestroyplatz auf eine dreiköpfige Familie eingestochen.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Die Einsatzkräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort.

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Wien – Der 67-jährige Familienvater, der sich nach einer Messerattacke am Mittwoch in Wien-Leopoldstadt in Lebensgefahr befand, war am Freitag in einem stabilen Zustand, ließ das behandelnde Krankenhaus mitteilen. Über den verdächtigen Afghanen wurde noch keine U-Haft verhängt, da er weiterhin in Polizeigewahrsam war, gab eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bekannt.

Der 23-Jährige hatte sich am Donnerstag zu zwei Messerattacken geständig gezeigt, bei denen insgesamt vier Menschen verletzt wurden. Er hatte in der Praterstraße eine Familie angegriffen, am Praterstern dann einen 20-jährigen Bekannten. Am ersten Tatort beim Nestroyplatz wurde auch der 67-Jährige schwer verletzt, der sich am Freitag weiterhin in kritischem Zustand und im künstlichen Tiefschlaf befand. Die drei weiteren Opfer waren bereits am Donnerstag außer Lebensgefahr.

Polizeilich bereits auffällig geworden

Der Verdächtige hatte laut dem Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl im Jahr 2015 in Österreich um Asyl angesucht, sich aber dem Verfahren entzogen und war untergetaucht, wie Pürstl am Donnerstag in der "ZiB 2" sagte. Er soll dann seit 2016 bis zu seiner Festnahme als "U-Boot" gelebt haben. Davor sei er jedoch polizeilich auffällig geworden und ins Drogenmilieu abgeglitten. Gegenüber den Behörden habe er angegeben, Österreich ohnehin wieder verlassen zu wollen.

Familie bedankte sich für Anteilnahme

Die von der Messerattacke betroffene Familie hat sich am Freitag für die öffentliche Anteilnahme bedankt. Zugleich appellierte die Anwältin Maria Windhager, die die Familie medienrechtlich vertritt, bei der Berichterstattung über den Fall die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren. Diese sollten sich nun "in aller Ruhe ihrer Genesung widmen können", betonte Windhager. In einigen Medien seien bereits identifizierende Angaben gemacht worden – das gelte auch für nicht ausreichend verpixelte Fotos. "Das wäre ab sofort zu unterlassen. Bei Verletzungen der Persönlichkeitsrechte werden rechtliche Schritte ergriffen", sagte die Anwältin.

"Schlechte aggressive Stimmung"

Der Verdächtige nannte als Tatmotiv "schlechte aggressive Stimmung sowie Wut auf seine gesamte Lebenssituation", berichtete Polizeisprecher Patrick Maierhofer am Donnerstag. Laut Polizeiauskunft gegenüber dem STANDARD handelt es sich dezidiert um kein politisches Motiv.

Rund eine halbe Stunde nach dem Angriff auf die Familie soll der Afghane am Praterstern einen weiteren Mann attackiert haben. Dabei habe es sich um einen seiner Bekannten gehandelt, berichtete der Verdächtige in seiner Einvernahme im Landeskriminalamt Wien unter der Leitung von Oberst Gerhard Haimeder. "Er war böse auf ihn und hat ihn für seine frühere Drogensucht verantwortlich gemacht", zitierte Maierhofer aus der Befragung. Die Frage, ob die Tat auch politisch motiviert war, verneinte der 23-Jährige eindeutig.

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl erklärt im "ZiB 2"-Interview, dass der Messerattacke in Wien kein islamistischer Hintergrund des afghanischen Täters zugrunde liegt.
ORF

Zeugen berichten von Schreien

Die erste Attacke fand um 19.45 Uhr vor einem japanischen Restaurant im Bereich Nestroyplatz am Aufgang der U1 statt. Die Familie – der 67-jährige Vater, die 56-jährige Mutter und die 17-jährige Tochter – dürfte gerade aus dem Lokal gekommen sein, als sie der Täter mit einem Klappmesser attackierte. Der Vater musste reanimiert werden, die Berufsrettung Wien brachte die Schwerverletzten in Spitäler.

"Für mich war das die Aktion eines enthemmten Verrückten. Vor allem von dem älteren Mann hat er nicht abgelassen", schilderte die Psychotherapeutin Silvia Franke dem STANDARD die Attacke in der Praterstraße. Sie war auf dem Heinweg, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite "erst Schreie hörte, dann Wimmern". Sie habe gedacht, "dass jemand auf einen Hund einschlägt", doch: "Es war der Täter, der auf den Mann einstach. Dieser schrie."

Täter verfolgte Opfer

Das Opfer habe versucht, auf die Fahrbahn zu entkommen. Der Täter sei ihm, weiter zustechend, nachgekommen. Frau und Tochter seien zu diesem Zeitpunkt bereits schwer verletzt auf dem Gehsteig gelegen.

Dann habe der Täter von dem Mann abgelassen und sei an mehreren Passanten vorbei durch ein Durchhaus entkommen. Franke: "Ein zufällig anwesender Polizist in Zivil hat dem Mann auf der Fahrbahn Erste Hilfe geleistet. Nach drei Minuten waren die ersten Polizeiwagen da, zwei Minuten später die Rettung."

Bundeskanzler Kurz meldet sich zu Wort

Am Donnerstagabend meldete sich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Twitter zu Wort. "Solche Vorfälle sind unerträglich und dürfen keinesfalls toleriert werden. Die Bürger müssen sich sicher fühlen können", schrieb Kurz. Gegen den Täter sei "mit voller Härte des Gesetzes vorzugehen!"

Kurz nutzte den Fall für eine politische Bezugnahme und kritisierte die "Fehler der vergangenen Jahre in der Migrations- und Asylpolitik", die nun behoben werden sollen.

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erkennt die Ursache der Tat in der "fatalen" Politik der vergangenen Jahre und will im Namen der Regierung "konsequent gegen illegale und kriminelle Migranten vorgehen".

Die Polizei forderte indessen die Öffentlichkeit auf, Gerüchte und Spekulationen zu unterlassen. In sozialen Medien wurden gezielt Falschmeldungen verbreitet, auch von internationalen Accounts. So kursierte etwa das Foto eines Passes, der angeblich am Tatort gefunden worden war. Andere Konten versandten Bilder und Videos, die rasch anderen Städten zuzuordnen waren.

Eine der Falschmeldungen, die über soziale Netzwerke verbreitet wurden.
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Nach Terroranschlägen und Straßenkriminalität kommt es oft zu solchen Meldungen, mit denen eine ausländer- oder islamfeindliche Stimmung angeheizt werden soll. (red, APA, 9.3.2018)