Vervielfachtes Schicksal der Lady Macbeth: Katerina (Svetlana Sozdateleva mit dem Chor) steuert in seelische Abgründe.

Foto: Arnold Pöschl

Klagenfurt – Einmal pro Saison zupft die Intendanz des Klagenfurter Stadttheaters maßvoll am Opernkanon. Ob Francis Poulencs Dialogues de Carmélites oder Benjamin Brittens A Midsummer Night's Dream, die Opernkost des 20. Jahrhunderts, stets von bewährten Händen zubereitet, kommt hervorragend an.

Das hätte sich jetzt auch, ohne den Erfolg verschreien zu wollen, Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk verdient. Man braucht für diese Produktion allerdings schon einen starken Magen. Eine "düstere Geschichte" hat schon 1865 Nikolai Leskow seine Novelle genannt, Schostakowitsch hat 1934 alles Instrumentarium eingesetzt, um sie in abgründige Töne zu setzen, und Immo Karamans Klagenfurter Regie ist gnadenlos.

Unsittenbild, unbeschönigt

Eine grauenvolle Stumpfheit lastet auf der Bühne. Mehl, Ratten, Gemeinheit und roheste Triebe mischen sich im Magazin des Kaufmanns. Ein Unsittenbild abseits jeder zivilisatorischen Idee, in dem die Doppelmörderin Katerina fast noch am mitleiderweckendsten erscheint. Die Vertonung, so elementar wie komplex, gefühlsdurchdrungen wie messerscharf, will in der Deutung von Kristiina Poska weder verschlimmern noch beschönigen. Sie bringt die Schreie der Seelen zum Ausdruck, und manchmal auch ihr Flehen.

Die zeitgenössische Kritik, die aus ideologischen Gründen lieber etwas Optimistischeres gehört hätte, sprach von "Chaos statt Musik". Statt der Parteilinie war Schostakowitsch seiner Auffassung von Wahrhaftigkeit gefolgt.

Karaman, der seine Bühne selbst gestaltet hat, verliert seine Figuren keinen Moment aus dem Auge. Beim beklemmend schweigsamen Abendessen lässt Iris van Wijnens Köchin Axinja die Schüssel fallen, sobald Svetlana Sozdatelevas stimmlich glasklare Katerina das erste "Ach!" ihres freudlosen Ehedaseins ausstößt. Gleb Nikolsky, ein russischer Bär von Gestalt, verlangt mit wundervoll kraftvollem Bass von der Schwiegertochter despotisch eine Lasterfreiheit, die er selbst nie gelebt hat.

Vom Mob vergewaltigt

Sein Sohn, der lendenschwache Sinowij (Joshua Owen Mills), kann der eigenen Frau nicht einmal beim Abschied in die Augen schauen. Ihr Fluchtversuch endet in den Hinterhöfen des Warenlagers, wo die holzbeinige Axinja vom Mob der Lohnarbeiter massenvergewaltigt wird.

Der hervorragend einstudierte Chor hilft bei den Bühnenumbauten mit, und immer wieder erstehen irgendwo sparsam mit Requisiten markierte Spielräume, in denen das Trauerspiel seinen unerbittlichen Verlauf nimmt. Am Ende hat Katerina den Schwiegervater vergiftet, gemeinsam mit dem Geliebten Sergej (Alexej Kosarev) den Ehemann erschlagen und schneidet sich, von Gendarmen zur Zwangsarbeit transportiert, die Kehle durch.

Ein harmlos-genussvoller Abend ist es nicht, aber ein sehr sehens- und hörenswerter für alle, die an einem Menschenbild interessiert sind, das nichts ausspart. (Michael Cerha, 8.3.2018)