Zürich – Entgegen der verbreiteten Meinung löst Asbest nicht Lungenkrebs aus, sondern gelangt durch die Lunge ins Mesothel – eine Zellschicht, die sämtliche inneren Organe umgibt. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Oncogene". Das Lymphsystem kann die langen und spitzen Asbestfasern aber nicht entfernen, weshalb sie dort hängen bleiben und das Gewebe immer wieder verletzen.

Obwohl Asbest an sich chemisch harmlos ist, lösen diese Mikroverletzungen eine Immunreaktion aus: Entzündungssignale werden ausgesendet und weiße Blutkörperchen angelockt. Im entzündeten Mesothel-Gewebe werden Signalstoffe für die Wundheilung aktiviert. Diese regen aber auch die Zellteilung an und fördern damit die Bildung von Tumoren.

RNA-Mutationen

Die Forscher um Emanuela Felley-Bosco vom Universitätsspital Zürich untersuchten die schädliche Asbest-Wirkung an Mäusen: Sie injizierten den Nagern Asbestfasern in die Bauchhöhle. Dabei stellten die Wissenschafter auch eine Häufung von Mutationen in der RNA der Tiere fest. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass unter anderem dadurch die Immunreaktion gedämpft wird. Das Resultat: Entstehende Tumorzellen werden nicht mehr konsequent bekämpft und es kann Krebs entstehen.

Sehr ähnlich funktioniere dies auch beim Menschen, so die Forscher. In den Tumoren von Patienten mit einem schlechten Krankheitsverlauf war das Enzym, das die RNA mutiert, in größeren Mengen vorhanden, wie eine Analyse einer entsprechenden Gendatenbank zeigte.

"Bisher war der von Asbest verursachte Krebs eine Blackbox", sagte Felley-Bosco. Die neuen Resultate seien nützlich, um schon die frühen Signale der Entzündung zu erkennen und eine spezifische Therapie gegen den Mesothel-Krebs zu entwickeln. "Eine Therapie gegen die Hemmer des Immunsystems ist ein vielversprechender Ansatz", so Felley-Bosco.

Die Entdeckungen könnten außerdem zum Verständnis anderer Krebsarten beitragen, die durch chronische Entzündungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Infektionen mit Helicobacter pylori verursacht werden können. (APA, red, 11.3.2018)