Die gelbe Ariamnes-Spinne von Molokai ähnelt Arten der gleichen Gattung auf anderen Hawaii-Inseln. Wirklich näher verwandt ist sie allerdings mit anders gefärbten Arten auf derselben Insel.

Foto: George Roderick

Diese Ariamnes-Spezies auf Maui versteckt sich vor allem in Flechten. Ähnliche weiße Arten kommen auch auf anderen Hawaii-Inseln vor.

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Auch die braune Ariamnes-Variante kommt auf den meisten Hawaii-Inseln vor. Diese hier stammt von Kauai.

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Berkeley/Wien – Vor etwa drei Millionen Jahren wob – vermutlich in Asien – eine Gruppe von Spinnen ein Segel aus Seide, hielt es in den Wind und flog damit über den Pazifik bis nach Hawaii. Diese spezielle Art führte ein parasitäres Leben: Sie überfiel die Netze anderer Spinnen und schnappte sich die dort bereits gefangenen Insekten. Auf den hawaiischen Inseln fanden die arachniden Reisenden damals allerdings noch nicht allzu viele Netze vor, die man hätte ausrauben können. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren Speiseplan umzustellen, und sie wählten andere Spinnen, die bereits zuvor Hawaii besiedelt hatten, als ihre bevorzugte Beute.

Schnelle Diversifikation

Aus diesen spinnenfressenden Neuankömmlingen entwickelten sich rasch unterschiedliche Arten. Die einen bevorzugten ein Dasein auf Felsen, andere lebten unter Blättern, und wieder andere fühlten sich zwischen Flechten am wohlsten. Heute kennt man dieses evolutionäre Phänomen als adaptive Radiation. Entdeckt hat es Charles Darwin im 19. Jahrhundert auf den Galapagosinseln anhand unterschiedlicher Schnabelformen bei Finken. Und obwohl ihn seine Finken-Studien letztlich zur Evolutionstheorie auf Basis natürlicher Selektion geführt haben, ist bis heute noch vieles darüber unklar, wie adaptive Radiation und damit auch die Evolution selbst im Detail abläuft.

Entscheidende Mosaikbausteine zur Evolutionstheorie liefern nun allerdings die zur Gattung Ariamnes zählenden Spinnen, deren Vorfahren vor Jahrmillionen nach Hawaii gesegelt sind. Tatsächlich lässt sich anhand dieser mittlerweile 14 Arten umfassenden Gruppe die Evolution sogar innerhalb bestimmter Grenzen vorhersagen, wie nun ein Team um Rosemary Gillespie von der University of California, Berkeley, herausgefunden hat.

Die Wissenschafter berichten im Fachjournal "Current Biology", dass die Vertreter dieser Spinnengattung auf den einzelnen Hawaii-Inseln jeweils in den Farben Gelb, Braun und Weiß vorkommen. Interessanterweise sind diese Farbvarianten untereinander nicht so nahe miteinander verwandt wie jene Arten, die zwar unterschiedlich gefärbt sind, aber auf einer einzelnen Insel vorkommen. Offenbar führten vielmehr die jeweiligen Umweltbedingungen zu den verschiedenen farblichen Erscheinungsformen.

Berechenbare Evolution

"Diese wiederholten und damit vorhersagbaren Farbausprägungen auf unterschiedlichen Inseln zeigen, wie Evolution vonstattengeht", erklärt Gillespie. "Eine solche Berechenbarkeit der Evolution ist bisher nur sehr vereinzelt zu beobachten gewesen."

Gillespie und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die heute existierenden Ariamnes-Arten auf den einzelnen Hawaii-Inseln jeweils aus einer einzigen Spezies hervorgegangen sind. Damit wäre eine weiße Ariamnes auf Oahu näher mit einer braunen Ariamnes auf derselben Insel verwandt als beispielsweise mit einer weißen Ariamnes-Spinne auf Maui.

"Wir konnten diese Spinnen in so gut wie jedem Habitat auf den Inseln des Hawaii-Archipels finden", sagt Gillespie. "Diese besonders detaillierte und auf die Umgebung abgestimmte Wiederholung evolutionärer Eigenschaften ist nach bisherigen Erkenntnissen äußerst selten." (Thomas Bergmayr, 8.3.2018)