Francesca Woodman: "Untitled" (1979-80)

Sie ist eine tragische Ikone der feministischen Kunst: Lediglich neun Schaffensjahre waren der US-amerikanischen Künstlerin Francesca Woodman gegeben, ehe sie sich 1981 im Alter von nur 22 Jahren das Leben nahm. Ihren späteren Ruhm, den eine Ausstellung anno 1986 begründete, erlebte Woodman nicht mehr.

Wiewohl die Künstlerin sich selbst nicht als "richtige Feministin" gesehen hatte, so traf ihr Werk in den 1980er-Jahren doch einen Nerv. Sinnliche, intime Inszenierungen des weiblichen Körpers, zuvörderst ihres eigenen, hatte Woodman ins Zentrum ihres Schaffens gestellt, hunderte Selbstporträts angefertigt. Was an diesem OEuvre beeindruckte, war dabei nicht zuletzt, mit welch traumwandlerischer Sicherheit sich die Kunststudentin Woodman männlich besetzte Ästhetiken aneignete, umdeutete, dekonstruierte.

Francesca Woodman: "Untitled" (1977-1978)
Courtesy Estate of Francesca Woodman, New York and Galerie Hubert Winter, Vienna

Mit dem Surrealismus befasste sich Woodman, der die Wiener Galerie Hubert Winter aktuell eine Ausstellung widmet, etwa während eines Studienaufenthalts in Rom 1977, aber ebenso mit dem deutschen Künstler Max Klinger. Dessen Symbolismus inspirierte sie etwa zu ihrer Serie über Aale (1978), aus der nun ein Bild präsentiert ist: Ein verrenkter, mutmaßlich hingestürzter, vom Betrachter abgewandter Frauenkörper liegt neben einer Schüssel auf dem Boden, in der sich ein Aal windet.

Man mag an dieser Fotografie bedeutsam finden, welch beklemmende Körperlichkeit der als Phallussymbol interpretierbare Aal erhält – schlicht dadurch, dass er in geradezu inniger Nähe zu einem Frauenkörper dargestellt ist. Abgesehen davon lässt sich an diesem Bild auch eindrücklich der formale Ansatz Woodmans ablesen: Der buchstäblich "in die Welt geworfene" Körper schmiegt sich in die Konturen des Terrazzobodens ein und wird dadurch zu einem eigentümlichen Ornament.

Francesca Woodman: Aus der "Eel Series" (1978)

Körper als bloße Formen zu lesen und sie so zum Teil des Raumes zu machen – dieser Kunstgriff spielt in Woodmans Werk eine entscheidende Rolle. Und tatsächlich hat die Künstlerin diese "Verschmelzung" ihrer Figuren mit dem Raum in einzelnen Arbeiten auch durch lange Belichtungszeiten forciert – eine Methode, die Körper verschwommen, ja bisweilen gespensterhaft durchlässig erscheinen lässt.

Was Woodmans melancholische Selbstporträts zusammenhält – und wovon auch die schöne Auswahl bei Winter einen Eindruck zu geben vermag -, ist, dass sie Frauenbildtypen durchspielen: Ein und dieselbe Protagonistin verwandelt sich, indem sie sich verschiedene männliche Blickpunkte aneignet. Um ganzheitliche Schönheit geht es in diesem Spiegelkabinett freilich nicht. Was Woodman in ihren bestrickenden Fotografien verdeutlicht, ist die Zersplitterung des weiblichen Selbstbilds im Auge männlicher Betrachter. (Roman Gerold, 10.3.2018)

Francesca Woodman: "Untitled" (1972-1975)
Courtesy Estate of Francesca Woodman, New York and Galerie Hubert Winter, Vienna