George North (links) legte zwei Versuche für Wales gegen Italien.

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Wien/Cardiff – Der Titel bei den Six Nations 2018 ist seit Samstag Irlands, trotzdem ist beim Traditionsturnier von Europas besten Rugby-Nationalteams noch einiges möglich. Mit Ausnahme Italiens sind alle übrigen vier Teams noch im Rennen um Platz zwei. Zum Beispiel Wales, das die Azzurri zum Abschluss des vierten Spieltags am Sonntagnachmittag in Cardiff willkommen hieß.

Theoretisch jedenfalls, denn es dauerte keine fünf Minuten bis zum ersten Try durch Hadley Parks, nachdem Italiens legendärer Skipper Sergio Parisse statt dem Waliser einen Verteidigerkollegen geplättet hatte – mutmaßlich ohne Vorsatz. Gar nur eine weitere Minute verging bis zum zweiten: Italien versuchte sich im schnellen Spiel, ein übler Fehlpass war das Ende vom Lied. Die Kontraattack (© Ernst Happel) erwies sich als Freispiel für die Waliser, welches George North finalisierte.

Italien schien bereits in der Fühphase vor den Trümmern seines Spielplans zu stehen. Doch dann tanzte der vergleichsweise schmächtige, jedoch umso wendigere Fullback Matteo Minozzi drei Tackler aus – die Azzurri hatten tatsächlich zurückgeschlagen, 14:7 stand es nach nicht einmal einer Viertelstunde.

Nach Fulminanz harte Bandagen

Wie sollte das noch weitergehen? Zunächst mit einem wegen Abseits zu recht nicht gegebenen weiteren walisischen Versuch, dann – spät aber doch – dem ersten Scrum der Partie. Ein Test für die völlig neuformierte Erste Reihe der Waliser. Cheftrainer Warren Gatland hatte seine XV wieder einmal massiv durcheinander gewirbelt, nur fünf Mann vom 27:37 in Dublin standen auch diesmal im Aufgebot.

In der Tat konsolidierten sich die Italiener nach den Lapsus des Anfangs vorbildlich, hielten das Geschehen mehr als offen. Ein bisschen beliebig war dieses nun geworden, es ging im Niemandsland hin und her. Bis kurz vor das Ende der ersten Halbzeit dauerte es, ehe das Punktekonto wieder anwuchs. Gareth Anscombe kickte einen Penalty zum 17:7 ins Herz der Malstangen. Eine Schrecksekunde galt es zu überwinden, als Italiens Flyhalf Tommaso Allan nach einem monströs-fantastischen Tackling des walisischen Kapitäns Taulupe Faletau alle Luft aus dem Brustkorb wich. Zum Glück erholte sich der 24-jährige von Benetton Treviso, 65.000 im Principality Stadium applaudierten erleichtert.

Personal-Plus bleibt ungenützt

Auch die finale Aktion aus Durchgang eins verursachte Schmerzen – und eine Zehnminuten-Strafe gegen Liam Williams, der Minozzi mit zu hoher Schulter zu Boden rammte. Wales würde mit einem Mann weniger aus der Pause zurückkehren. Doch das focht die Gastgeber keineswegs an, gleich nach Wiederbeginn war gegen die 111 Kilo (bei einer Körpergröße von 1,95 Meter) des gewaltigen Locks Cory Hill kein Kraut gewachsen. Dritter Versuch für Wales, dem die dritte Conversion von Gareth Anscombe auf dem Fuße folgte – 24:7.

Als Gareth Davies nach absichtlichem technischen Fehler ebenfalls vom Feld musste, präsentierte sich den Italienern eine Gelegenheit auf dem Silbertablett, ihr Defizit zu schmälern. Allein, wie so oft war sich der Tabellenletzte auch diesmal wieder sein eigner größter Feind: Italien ist nicht in der Lage, Möglichkeitsfenster auch zu durchklettern. Heißt: zwei Mann Überzahl wurden in exakt null Punkte umgemünzt.

Es wird deutlich

Die Waliser wiederum injizierten nach einer Stunde eine großzügige Dosis frisches Blut von der Ersatzbank, dem Spielfluss der Equipe schien das jedoch zunächst nicht dienlich zu sein. Immerhin erarbeitete man sich einen weiteren Versuch, den vierten, welcher den nicht ganz unerheblichen Bonuspunkt mit sich bringt: North schnellte aus kurzer Distanz nach vorne und war natürlich nicht mehr aufzuhalten (66.). Zehn Minuten danach sah die Kulisse den bulligen Flanker Justin Tipuric als letzte Station einer sauber exekutierten Angriffssequenz in der Rolle eines Flügels – das hinderte ihn mitnichten an Try Nummer fünf.

Das letzte Wort hatten aber die Italiener: Mattia Bellini querte vier Minuten vor dem Ende zum zweiten Try für die Gäste. Kicker Carlo Canna stellte den Endstand von 38:14 her. Wales schob sich damit tatsächlich auf den zweiten Tabellenplatz nach vor, kann diesen am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Frankreich behaupten. (Michael Robausch, 11.3. 2018)