Innenminister Herbert Kickl wird am Montag laut Insidern das eigene Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung mit BVT-Ermittlungen beauftragen.

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Maximilian Edelbacher, der bis 2006 als leitender Polizist in Wien tätig war und seit seiner Pensionierung als Experte für Korruptionsprävention unter anderem für die Uno, die OSZE und die EU tätig ist, geht hart ins Gericht mit der Causa BVT. Er sieht politische Hintergründe: "In 40 Jahren der Beschäftigung mit dem Thema Korruption kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es in Österreich schlimmer geworden ist. Gerade die Periode der politischen Wende ab dem Jahr 2000 bis 2006 bestätigt diesen Eindruck und lässt die Befürchtung zu, dass mit der neuerlichen Wende ab 2018 sich diese Erfahrungen wiederholen könnten", sagt der ehemalige SPÖ-nahe Leiter des Wiener Sicherheitsbüros – einst die größte Kriminalabteilung des Landes.

Beitrag aus der Spät-"ZiB" am Sonntag.
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Die aktuelle Causa hält das Land jedenfalls weiter in Atem. Das Justizministerium versicherte zwar, dass Staatsanwälte bei den Hausdurchsuchungen im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) dabei waren und die Beamten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) keinen Zugriff auf sichergestellte Daten hatten; so soll laut BMI auch beim Transport immer ein Staatsanwalt im Auto gewesen sein. Das Innenministerium versicherte, dass die Razzia nicht mit gezogener Waffe oder mit Helm erfolgt sei.

Fünf Staatsanwälte ermitteln

Ermittelt wird gegen fünf namentlich genannte Personen, darunter der beurlaubte Leiter der Behörde, Peter Gridling, und der frühere Vizechef Wolfgang Z. Dass es sieben Beschuldigte gibt, bestätigt das Ministerium nicht. In der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sind fünf Staatsanwälte mit der Causa betraut. Bis Jänner wurde in der Angelegenheit noch gegen unbekannte Täter ermittelt, im Februar kam Dynamik in die Sache.

Für Verwunderung sorgt die Erklärung, dass bei der Extremismusabteilungsleiterin des BVT "private Daten" sichergestellt worden seien. Private Daten darf es in Dienstcomputern eigentlich nicht geben, zudem wird die Frau als Zeugin, nicht als Beschuldigte geführt. Ihr Computer inklusive Festplatte wurde mitgenommen. Der IT war es nicht gelungen, die Daten zu kopieren, daraufhin habe die Staatsanwältin angeordnet, den gesamten PC mitzunehmen. Wie bekannt wurde, geht es darum, dass die der SPÖ zugerechnete Beamtin engen Kontakt zu Z. und zum früheren Präsidialchef im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gehabt haben soll. Sollte sie (fragwürdige) Anweisungen bekommen haben, hätte sie das wohl gemeldet, statt sie auf CDs zu speichern – sollte man ihr etwas anderes vorwerfen, müsste man sie als Beschuldigte führen.

Rechtsextreme Musikerin im FPÖ-Umfeld

Das Sicherstellungsprotokoll, das der Standard und Profil einsehen konnten, spricht jedoch unter anderem von 21 sichergestellten CDs mit "Beweismaterial" zum Fall einer neonazistischen "Liedermacherin" namens K. aus Wien. Die Rechtsextreme wird im Protokoll der Razzia mit vollem Namen erwähnt. K. trat mit zwei weiteren Neonazis auf, zu dritt wurden sie 2017 wegen NS-Wiederbetätigung erstinstanzlich verurteilt. K. ist auf Fotos mit einem Rechtsanwalt abgebildet, der vor einigen Jahren bei Nationalratswahlen für die FPÖ kandidierte.

Sowohl der Rechtsanwalt als auch K.s Freundin, mit der sie vor Gericht stand, interagierten auf Facebook wiederholt mit dem Rechtsextremen Alexander S., der jahrelang parlamentarischer Mitarbeiter des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Höbart war. Höbart sitzt wiederum im Gemeinderat von Guntramsdorf – gemeinsam mit Parteifreund Wolfgang Preiszler, Chef der EGS, welche die Razzia der Staatsanwaltschaft beim BVT unterstützte.

Die Oppositionsparteien fürchten, dass FPÖ-nahe Kreise nun an Daten des BVT gelangt sind. Eine Kopie der Daten hätte den Vorteil, dass Zugriffe darauf – im Unterschied zu Abfragen im Ministerium – nicht protokolliert würden.

Korruptionsbekämpfung wird eingeschaltet

Nun schaltete sich auch das Innenministerium in die Prüfung der Vorgänge ein. Damit betraut werden sollen einige handverlesene Beamte vom Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK). Beschlossen wird das dem Vernehmen nach am Montag.

Der Bericht der Justiz, an dem das Ministerium und die Oberstaatsanwaltschaft Wien derzeit arbeiten, wird nächste Woche fertig. Dass Generalsekretär Christian Pilnacek erst am Tag nach der Hausdurchsuchung informiert wurde, ruft in Justizkreisen Verwunderung hervor. Zwar muss die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihre vorgesetzte Behörde nicht vorab von Maßnahmen in Kenntnis setzen, üblicherweise geschieht das bei brisanten Fällen trotzdem.

Bei der Hausdurchsuchung ging es auch um nordkoreanische Musterpässe, von denen drei an Südkorea übergeben worden waren. Hergestellt wurden die Pässe in Österreich, diverse Behörden und Ministerien waren eingeschaltet. Ursprünglich hatte es je zehn Dienst-, Diplomaten- und "normale" Pässe gegeben, 27 Stück lagen noch in einem Stahlschrank beim BVT, im Büro eines der Beschuldigten. Diese wurden von der WKStA mitgenommen. Auch die Privatwohnung des Beschuldigten ist durchsucht worden. Laut einem Bericht der Staatsanwältin habe Einsatzleiter Preiszler behauptet, der Beschuldigte habe von der Razzia bei ihm daheim zuvor erfahren, er habe sich darauf vorbereiten können. Tatsächlich wurde der Mann von seinen Untergebenen im BVT rund eine Minute zuvor telefonisch informiert. Laut Protokollen habe er sich dann gleich mit Preiszler verbinden lassen, der habe ihm gesagt, dass man auch ihn beschuldige. Er riet ihm, die Tür öffnen, damit sich die Polizei nicht anders Zutritt verschaffen müsse.

Alijew- und Kampusch-Daten

Die WKStA wirft BVT-Mitarbeitern außerdem vor, Daten und Informationen aus inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen den Anwalt Gabriel Lansky nicht gelöscht zu haben. Diverse Papiere seien in dem Kontext sichergestellt worden. Um welche Daten es gehen soll, ist nicht bekannt. Denn einen Teil der Daten aus Lanskys Kanzlei – konkret angeblich solche aus den Causen Rachat Alijew und Natascha Kampusch – könne das BVT gar nicht haben, wie Informierte sagen. Die lagern nach wie vor auf einem Server in Luxemburg, wo sie Lansky vor mehr als fünf Jahren speichern ließ. Mit dem Unternehmen, bei dem die Daten lagern, befindet sich der Anwalt aber immer noch in einem zivilen Rechtsstreit, Lansky hat den Server beschlagnahmen lassen, ihn aber noch nicht zurückerhalten. (Renate Graber, Fabian Schmid, Colette M. Schmidt, Michael Simoner, 11.3.2018)