Das Mixed-use-Objekt Milaneo wurde 2013 mit dem Mipim-Futura-Award ausgezeichnet. In Stuttgart sieht man das Projekt dennoch bis heute nicht nur positiv.

Foto: Ferjani Charni / Milaneo

Am Dach des Einkaufszentrums sind 415 Mietwohnungen entstanden.

Foto: Bayerische Hausbau

Der Primark-Store ist Ankermieter und Besuchermagnet im Stuttgarter Einkaufszentrum Milaneo. Auch der restliche Mietermix in dem Center mit 43.000 Quadratmetern vermietbarer Fläche nördlich des Hauptbahnhofs, das 2014 fertiggestellt wurde, ist nur mäßig originell. Wirklich innovativ ist aber das, was sich die eine oder andere Ebene darüber befindet – und das wurde 2013 auch mit einem Mipim-Award ausgezeichnet.

Denn dort, auf dem Dach des Einkaufszentrums, sind 415 Mietwohnungen in 17 Einzelhäusern entstanden, die mittlerweile allesamt an drei Endinvestoren verkauft wurden. Ursprünglich plante der Shoppingcenterentwickler ECE auf dem bereits 2010 erstmals vorgestellten Einkaufszentrum nur Büroflächen. Die Stadt wünschte sich aber Mietwohnungen, daher wurde die Bayerische Hausbau als Entwickler für den Wohnraum an Bord geholt.

"In der Konstellation war das für uns Neuland", sagt Jürgen Büllesbach, CEO der Bayerischen Hausbau. Denn oben und unten waren unterschiedliche Bauherren am Werk. "Man muss sich dessen bewusst sein, dass man bei solchen Projekten da weiterbaut, wo die anderen aufhören", fasst er den Prozess zusammen.

Wo die Kräne stehen

Beim Bauen ergaben sich dadurch auch praktische Fragen wie jene, wo wer seinen Kran aufstellen darf, ohne dem anderen damit im Weg zu sein. "Es bedarf einer enorm engen Abstimmung", so Büllesbach, der empfiehlt, die Bauphase bei einem solchen Projekt in die Hand eines Generalunternehmers zu legen.

Auch nicht alltäglich: Das Einkaufscenter wurde ein Jahr vor den Wohnungen fertig. "Damit umzugehen, dass in den Stockwerken darunter schon Betrieb ist, ist gar nicht so leicht", so Büllesbach. Auch an der richtigen Lage der Stiegenhäuser und am Brandschutzkonzept wurde lange getüftelt. Die rechtliche Konstruktion der Wohnungen war ebenfalls herausfordernd, sagt Büllesbach. Letztlich wurden die Wohnungen im Teileigentum errichtet.

Die Wohnungen stehen auf einer lastverteilenden Platte, die bis zu einen Meter dick ist. "Diese Platte hält viele der Lärmemissionen von den Wohnungen fern, hat aber auch eine tragende Wirkung", erklärt Büllesbach. Daher hatte man in den Wohnungen freie Hand, was die Gestaltung der Grundrisse angeht. Entstanden sei eine Stadt in der Stadt – und zwar rund um einen begrünten Innenhof: "Man wohnt hier in den Hof hinein."

Höhere Miete

Am Ende sei so ein Projekt dann aber teurer als das unterkellerte Haus auf der grünen Wiese. Kosten, die sich am Ende auch bei der Miete niederschlagen, die kalt zwischen zwölf und 17 Euro pro Quadratmeter liegt. Sozialer Wohnbau sei auf dem Dach eines Shoppingcenters daher nur schwierig umzusetzen, meint Büllesbach.

Er glaubt aber an das Konzept: "Wenn Einkaufszentren in Innenstädten eine Chance haben wollen, dann müssen sie sich besser integrieren und anders ausschauen als heute." Besonders weil in den Innenstädten Wohnraum rar und heißbegehrt ist.

Während aber der Wohnraum boomt, schaut es für manches Einkaufszentrum weniger gut aus. In den USA werden immer mehr leerstehende Malls abgerissen. Und auch das Milaneo ist in Stuttgart nach wie vor umstritten, weil es Frequenz aus der Innenstadt abgesaugt hat. Ein Hemmnis für Investoren, die sich für die Wohnungen interessiert haben? Büllesbach verneint: "Für beide Seiten war ganz wesentlich, dass das Einkaufszentrum auch funktioniert, wenn die Wohnungen einmal leerstehen sollten – und umgekehrt." Büllesbach kann sich nun auch weitere Projekte auf Einkaufszentren vorstellen: "Wir haben schon vor, dass wir das, was wir gelernt haben, auch umsetzen."

Projekte in Wien

Möglich sind solche Überbauungen freilich nur bei Neubauprojekten. Die Statik eines bestehenden Gebäudes lässt einen Aufbau nicht zu.

In Wien gibt es bereits Wohnungen auf einem Shoppingcenter: Vor drei Jahren stellte die WBV-GPA 71 Mietwohnungen auf dem Dach des Auhofcenters fertig. Auch diese Wohnungen entstanden im Rahmen einer Erweiterung des bestehenden Einkaufscenters. Sie wurden im Baurecht entwickelt. Bei anderen, kleiner dimensionierten Projekten – etwa der Überbauung eines Supermarkts in der Zschokkegasse im 22. Bezirk – dauert es dafür noch.

"Ich glaube, dass eine solche Planung Zeit braucht", sagt Büllesbach über die komplizierte Materie. "Die einfachen Dinge wurden in den Städten ja alle schon gebaut." (Franziska Zoidl, 15.3.2018)