Ab in den Kaninchenbau: Das Nextcomic Festival lässt sich heuer von "Alice im Wunderland" inspirieren.

Foto: Moki/Nextcomic

Eggy und Jackys Comic "Maggie McFearsome and the Giant Anteater" spielt auch mit dem Wechsel in andere Welten.

Foto: Eggy & Jacky

Die deutsche Cartoonistin Nadine Redlich stellt im Stifterhaus und in einem Friseursalon aus.

Foto: Redlich

Ralf König eröffnet in Gerhard Haderers Schule des Ungehorsams seine neue Ausstellung religionskritischer Comics.

Foto: Ralf König

Die rauchende Raupe aus "Alice im Wunderland", die sich auf der Glasfassade des Foyers im Linzer Ursulinenhof räkelt, kündigt an, was sich hier in den nächsten Tagen abspielen wird: Das Nextcomic-Festival (15. bis 24. März) steht heuer unter dem Motto "Next to Alice". Wobei das Raupen-Graffiti des Künstlers Fresh Max nur einer von vielen Zugängen zu Lewis Carolls wundersamen Kaninchenbau ist.

Ausgehend von den Zeichnungen von Sir John Tenniel, die Carolls Bücher illustrierten und von denen einige Drucke im Ursulinenhof gezeigt werden, streckt Nextcomic seine Fühler nämlich in alle erdenklichen Spähren aus: Sowohl thematisch als auch stilistisch.

Trickfilm, Vice-Comics und Aquarelle

"Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Literatur, Kunst und Comic", sagt Katharina Acht, selbst Fotografin, die heuer die Leitung des Kuratorenteams übernommen hat. "Das Festival gibt uns die Möglichkeit, Comics und ihre vielfältigen Formen im Kontext zeitgenössischer Kunst zu präsentieren." Rund um Themen wie "Erwachen aus dem bösen Traum", "Zwischen den Welten wechseln" und "Verrückt, absurd, komisch" ist ein schillerndes Kaleidoskop an Arbeiten zu sehen. Ganz klassische Comics mit Panel-Struktur, Text und Sprechblasen sind da kaum zu finden, dafür aber eine erfrischend hohe Dichte an weiblichen Künstlerinnen.

Ein paar Beispiele: Die Berliner Comic-Künstlerin Moki, die auch das Festivalplakat gestaltete, stellt Werke aus ihrem traumwandlerischen Universum aus, die Japanerin Maya Yonesho zeigt im Animationsfilmzyklus "Daumenreise" in Stop-Motion-Technik hergestellte Filme, die touristische Attraktionen aus aller Welt auf minimalistische Zeichnungen reduzieren. Zu den weiteren internationalen Highlights gehören Akvile Magicdust, die ihre pastell- und leuchtfarbene Comic-Serie "Lucy, the confused girl" normalerweise in der US-Version des Magazins "Vice" druckt. In Linz werden einzelne Comics ihren großformatigeren Malereien gegenübergestellt. Die italienische Künstlerin Valentina Zavoli wiederum bannt albtraumhafte Elemente aus "Alice im Wunderland" in Aquarellbilder – und hat auch eine Wand angemalt.

Nicolas Mahler, Ralf König, Grottenbahn

Mit Nicolas Mahlers Adaption "Alice in Sussex" im Rahmen des schon länger laufenden Sinnesrausch im Ursulinenhof, ist auch ein heimischer Comic- und Komikkapazunder am Start. Und Ralf König eröffnet mit einer Lesung seine Ausstellung zu seinen religionskritischen Comics an Gerhard Haderers "Schule des Ungehorsams".

Überhaupt ist das Festival, das Locations in ganz Linz, aber auch in Steyr, Traun, Alkoven und Steyrermühl kapert, an seinen Nebenschauplätzen am Überraschendsten: In der Grottenbahn am Pöstlingberg – die perfekte Alice-Allegorie! – trifft man auf faszinierend-spooky Illustrationen von Benjamin Lacombe. Im Schloss Hartheim in Alkoven gibt es einen Schwerpunkt zu Nationalsozialismus im Comic.

Wie jedes Jahres bietet das Nextcomic-Festival auch heuer der österreichischen Szene eine gebührende Bühne, inklusive spannender Neuentdeckungen: Zum Beispiel Jasmin Rehrmbacher mit ihrer schrägen, zeichnerisch japanisch angehauchten Comicserie "Kreuz", in der sie die Geschichte eines Angestellten erzählt, der nicht mehr in einer quadratischen Welt leben will, und dessen Weg sich mit einer Frau kreuzt, die lieber als Katze lebt.

Eggy & Jacky wiederum zeigen erstmals gedruckte Versionen ihres Online-Comics "Maggie McFearsome and the Giant Anteater" und gestalten darüber hinaus ein buchstäbliches Web-Comic, nämlich großformatige aus Stoffbahnen gewebte Bilder. Außerdem präsentieren 17 Künstler der Lohnzeichnergilde, einem Zusammenschluss oberösterreichischer Illustratoren, ihre ziemlich breitgefächerten Interpretationen des verrückten Hutmachers.

Peter und Eve Joy Patzak

Eine ganz besondere Story erzählen Regie-Legende Peter Patzak ("Kottan ermittelt") und seine Frau Eve Joy Patzak. Letztere erlitt 2013 einen Schlaganfall und ist seither sprachlos und nahezu bewegungsunfähig. Eigentlich Rechtshänderin, begann sie mit der unbeschädigten linken Hand zu zeichnen. Aus anfangs kleinen Notizen entstand eine Kommunikationsform, mit der sie ausdrückt, was sie bewegt. Die Tinte- und Tuschzeichnungen, die Frauenkörper in fließend runden Formen zu eigenwilligen Formationen und Mustern verweben, sind ergänzt mit den großformatigen abstrakten Öl- und Acrylgemälden Peter Patzaks.

Das erzählerische Element, die Geschichte im Bild – das ist auch die Schnittmenge des sehr weit gefassten Comic-Begriffs bei Nextcomic. "Wir werfen einen ganz neuen Blick auf Comics und zeigen, dass sie Bild für Bild Kunstwerke sind und nicht einfach Massenware", drückt es Katharina Acht aus. "Hier nehmen sich die Comics den Raum, sind präsent und zeigen sich von ihrer besten Seite." (Karin Krichmayr, 13.3.2018)