Vor der iranischen Residenz wurde in der Nacht auf Montag ein Messerangreifer erschossen.

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Am Dienstag wurde vor dem provisorischen Parlament ein Polizist angegriffen. Der Täter, ein Afghane, wurde verhaftet.

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Wien – Nach der Messerattacke auf einen Bundesheersoldaten vor der iranischen Residenz in Wien-Hietzing ist erneut ein Beamter angegriffen worden. Ein 26-Jähriger attackierte dabei Dienstagfrüh vor dem provisorischen Parlament am Heldenplatz einen Polizisten in einem Funkwagen. Laut Polizeisprecher Harald Sörös kam der afghanische Staatsbürger kurz nach 8 Uhr zu dem Beamten, der im Streifenwagen saß, und verwickelte ihn durch das geöffnete Seitenfenster in ein Gespräch. Plötzlich habe er den Polizisten am Kragen gepackt und versucht, ihn aus dem Auto zu zerren.

Dienstagfrüh wurde eine Polizeistreife am Heldenplatz angegriffen (Beitrag der ORF-Sendung "Aktuell in Österreich").
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Der Polizist griff laut Sörös zu seinem Pfefferspray, sprühte den Angreifer ein und nahm ihn fest. Der 26-Jährige wurde leicht verletzt, der Beamte blieb unverletzt. Waffen wurden bei dem Angreifer nicht gefunden, auch in der näheren Umgebung ergab eine Suche zunächst nichts. Die Ermittlungen übernahm das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.

Der Mann, dessen Asylverfahren noch im Laufen war, machte bei der Befragung im Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung einen sehr verwirrten Eindruck. Aufgefallen ist er bisher mit einem Drogendelikt und einem Ladendiebstahl. Hinweise auf Zusammenhänge mit der Attacke bei der iranischen Residenz gab es nicht.

Messerangreifer hatte "Sympathie für politischen Islam"

Über jenen Mann, der in der Nacht auf Montag vor der Residenz des iranischen Botschafters einen Wachsoldaten angegriffen hatte und von ihm erschossen wurde, gab Michaela Kardeis, Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, bei einer Pressekonferenz mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Dienstag neue Details bekannt. Demnach hatte der Angreifer "eindeutig Sympathie für den politischen Islam".

Das eigentliche Tatmotiv ist noch unklar ("ZiB 13").
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Die Auswertung des bei der Durchsuchung der Wohnung des Messerangreifers sichergestellten Materials werde noch ein paar Tage dauern, sagte Kardeis. Es gehe in erster Linie darum, die Social-Media-Kommunikation des Mannes zu "filtern".

Bislang nicht einschlägig aufgefallen

Der Mann leistete 2012 selbst seinen Grundwehrdienst beim Bundesheer ab. Er ist 2012 als strenggläubiger Muslim bei der Garde in Wien eingerückt, sagte das Verteidigungsministerium auf APA-Anfrage am Dienstag. Strenggläubige Muslime beim Bundesheer gebe es etwa 30, so ein Sprecher. Diese dürfen fünfmal am Tag beten, bekommen ein eigenes Essen, dürfen sich einen Bart wachsen lassen, dürfen die Gebetsräume nutzen und bekommen an islamischen Feiertagen dienstfrei.

Einschlägig aufgefallen ist der Österreicher mit ägyptischen Wurzeln bislang nicht. Es gab bei ihm lediglich eine polizeiliche Auffälligkeit: Sein Name taucht bei einem Automateneinbruch im November 2017 auf. Es gab aber keine Verurteilung, offenbar auch keinen Prozess.

Klar ist mittlerweile, dass der Soldat vier Schüsse auf den 26-Jährigen abgab, nachdem der Einsatz von Pfefferspray gegen den Messerangreifer nicht geholfen hatte. Wie viele trafen und wie viele tödlich waren, sollte bei der Obduktion festgestellt werden. Das Ergebnis lag noch nicht vor.

Bei dem Vorfall in Hietzing handelte sich um die zweite Messerattacke in Wien innerhalb weniger Tage: Schon am vergangenen Mittwochabend hatte ein 23-Jähriger beim Nestroyplatz in der Leopoldstadt eine dreiköpfige Familie schwer verletzt. Kurz darauf stach der Afghane am Praterstern noch einen Landsmann nieder, ehe er gefasst wurde.

Kickl will Verschärfungen

Innenminister Kickl nimmt die jüngsten Vorfälle mit Afghanen zum Anlass, um die Fremdengesetze weiter zu verschärfen. Konkret sollen straffällig gewordene Asylwerber nach verbüßter Haftstrafe in Anschlussschubhaft genommen werden.

Auslöser dieser Überlegungen ist der Fall des 23-jährigen Afghanen in Wien-Leopoldstadt, der 2015 nach Österreich gekommen war. Als kein Ende seines Asylverfahrens in Sicht war, beantragte der Mann beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) seine freiwillige Rückkehr. Er bekam diese auch bewilligt, wurde allerdings in weiterer Folge nicht abgeschoben. Er soll nämlich sein Ausreisezertifikat nicht behoben haben.

2017 wurde der Mann in Wien wegen Suchtgifthandels zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. Zur Verbüßung wurde er aus Platzgründen in die Justizanstalt Klagenfurt überstellt. Als er im Dezember 2017 entlassen wurde, wurde das BFA informiert. Offenbar wurde darauf vom BFA aber nicht zeitgerecht reagiert, da es keinen Schubhaftbescheid und keinen Festnahmeauftrag gab. Daher wurde der Mann entlassen.

"Viele Widerstände" von politischen Gegnern

Kickl und der für Asyl zuständige Ministeriumsbeamte Peter Webinger äußerten sich bei der Pressekonferenz am Dienstag sehr ausweichend zu diesen Vorgängen. Sie sprachen von rechtlichen Lücken, die geschlossen werden müssten.

Kickl beklagte zudem, dass politische Gegner und NGOs Abschiebungen nach Afghanistan verhindern würden. Das sei "kein einfaches Kapitel", es gebe "viele Widerstände". "Ich unternehme alles, um so restriktiv vorzugehen wie nur möglich. Aber wir haben mit Widerständen zu kämpfen", so Kickl. Er kündigte unter anderem an, die Möglichkeit von Anschlussschubhaft bei straffällig gewordenen Asylwerbern schaffen zu wollen. "Wenn Asylwerber in Haft sind, muss das Verfahren schnellstens zu Ende gebracht werden." Er kündigte zudem Schwerpunktaktionen der Polizei an "Hotspots" wie Praterstern und Brunnenmarkt an.

Kritik der NGOs

Dass es politischen Gegenwind aus der Bundesregierung gegen NGOs gibt, weiß Herbert Langthaler von der Asylkoordination "bereits seit 20 Jahren". Für ihn ist es im Gespräch mit dem STANDARD aber klar ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, dass Personen nach Afghanistan abgeschoben werden, "wo Krieg herrscht". Straffällige Afghanen sollten laut ihm "wie andere Leute auch eingesperrt werden".

Bei der Caritas zeigt man sich irritiert ob des Vorwurfs aus dem Innenministerium: "Wir können eine Abschiebung nicht verhindern. Das ist auch nicht unsere Intention, wenn in einem ordentlichen Verfahren eine negative Entscheidung zustande gekommen ist", sagt Caritas-Asylrechtsexpertin Claudia Schmidt. Was aber auffallen würde, ist die Diskrepanz zwischen den Berichten zu der erhöhten Gefahrenlage in Afghanistan und den steigenden negativen Asylbescheiden.

Assistenzeinsatz des Bundesheers wird evaluiert

Nach dem Angriff vor der iranischen Residenz evaluiert das Verteidigungsministerium aktuell den Assistenzeinsatz des Bundesheers vor diplomatischen Vertretungen. Im Raum stehen etwa Nachbesserungen bei der Ausrüstung, zum Beispiel Kugelschutzwesten oder eine Änderung bei der Bewaffnung. Was am Ende herauskommt, obliegt dem Generalstab, der in den nächsten Tagen zu einem Ergebnis kommen soll. Im Endeffekt gehe es um die Abwägung zwischen Sicherheit und Tragekomfort. So wiegt eine entsprechende Schutzweste etwa 20 Kilogramm, die ein Soldat während des Assistenzeinsatzes zusätzlich zu tragen hätte.

Tarnbefehl währte nur kurz

Die Soldaten des Bundesheers haben am Dienstag außerdem den Befehl bekommen, sich zu tarnen – dieser wurde wenige Stunden später durch den Generalstab aber wieder aufgehoben. Zunächst war vorgesehen worden, dass Soldaten die Kasernen nur mehr in Zivilkleidung verlassen dürfen. Beim Generalstab befand man allerdings, dass die dafür zugrunde gelegte Lagebeurteilung "nicht ausreichend" gewesen sei. Wichtiger aber: Mit den Landstreitkräften habe der Befehl nicht für alle Soldaten, sondern nur für eines der insgesamt vier Kommanden des Bundesheeres gegolten.

Für insgesamt 72 Stunden wurde am Montag von Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) außerdem eine Doppelbewachung angeordnet, die erste Nacht haben die verstärkten Posten bereits hinter sich. Der Assistenzeinsatz insgesamt steht laut Kunaseks Sprecher Gerold Fraidl nicht infrage. (APA, red, 13.3.2018)