Zwei Gegendemonstranten hielten eine Israel-Fahne als Protest gegen antisemitische Parolen hoch.

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Vier Gegendemonstranten erhielten diese Strafverfügung.

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Wien – Anfang dieses Jahres sahen sich vier Demonstranten mit einer etwas sonderbaren Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien konfrontiert: Wegen des Spannens einer Israel-Fahne auf "besonders provokante Art und Weise" hätten sie in "besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung gestört", war dort zu lesen.

Der Hintergrund: Als im Dezember 2017 in Wien eine Demonstration gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA stattfand, an der etwa 700 Personen teilnahmen, kam es zu antisemitischen Sprüchen sowie der Verwendung antisemitischer Symbole. So wurde laut Augenzeugen etwa ein Schild mit einem Davidstern, in dessen Zentrum ein Hakenkreuz zu sehen war, in die Höhe gehalten und die Vernichtung Israels gefordert – DER STANDARD berichtete.

Reaktion auf antisemitische Parolen

Um dagegen zu protestieren, begaben sich vier Gegendemonstranten in die unmittelbare Nähe der Veranstaltung und hielten besagte Israel-Fahne hoch. Das hätte Unmut unter den "palästinensischen" Demonstranten hervorgerufen, formulierte die Polizei. Die Strafandrohung lag bei hundert Euro Geldstrafe oder zwei Tagen Gefängnis.

Mit Unterstützung durch Rechtsanwalt Oliver Peschel (Lansky, Ganzger und Partner) und der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) erhoben drei der Beschuldigten Einspruch und legten in Rechtfertigungen dar, inwiefern sie durch das Hochhalten der Israel-Flagge ihre Entrüstung hinsichtlich gerufener Parolen wie "Kindermörder Israel" kundtun wollten.

Das Verfahren gegen sie wurde nun eingestellt. Es wurde "im Zweifel für die Betroffenen" entschieden, sagt Polizei-Sprecher Manfred Reinthaler zum STANDARD. Man sei nach der Prüfung der von den Beschuldigten überlieferten Rechtfertigungen zur Ansicht gelangt, dass das Verschulden zu gering gewesen und die Spontandemonstration als Reaktion auf die Provokationen der Gegenseite zu werten sei.

Innenministerium verteidigt Strafverfügung

Nationalratsabgeordneter Niki Scherak (Neos) wollte hingegen in einer parlamentarischen Anfrage an das Innenministerium wissen, wie es zu der Strafverfügung kam. Erfragt wurde unter anderem, inwieweit das Hissen der Flagge eines anerkannten Staates eine "besonders rücksichtslose Störung der öffentlichen Ordnung" darstellen könne. Außerdem erfragte Scherak, inwieweit sich die Zurschaustellung der israelischen Flagge von jener der syrischen oder palästinensischen Flagge – diese wurden bei der angemeldeten Demonstration wahrgenommen, ohne dass jemand eine Strafverfügung erhielt – unterscheide.

In der nun vorliegenden Anfragebeantwortung rechtfertigt das Innenministerium die mittlerweile aufgehobene Strafverfügung noch folgendermaßen: "Das Ausrollen einer israelischen Flagge in unmittelbarer Nähe einer angezeigten Palästinenserdemonstration in der offensichtlichen Absicht, Provokationen der Menge hervorzurufen, ist geeignet, die öffentliche Ordnung zu stören."

Die Interessenabwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem staatlichen Anspruch auf Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung sei in diesem Fall so zu bewerten, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in den Hintergrund treten müsse. Der Grund: Die Flaggenhalter hätten im Schutzbereich einer anderem Versammlung mit Absicht "Unruhe in eine ohnehin schon aufgebrachte Menschenmenge" gebracht sowie die Demonstranten bei der Ausübung ihres Grundrechts gestört.

Ermittlungen wegen Verdachts der Verhetzung

Anfragesteller Scherak kann die Begründung des Innenministeriums nicht ganz nachvollziehen: Es sei "zumindest hinterfragenswert", ob hier verhältnismäßige Mittel angewandt wurden. "Man kann so eine Situation auch anders auflösen. Beide Seiten sollten die Möglichkeit haben, ihre Meinung kundzutun." Dass das Verfahren eingestellt wurde, begrüßt Scherak.

Dass das Innenministerium zu einer anderen Einschätzung als die Landespolizeidirektion Wien komme, liege daran, dass das "rein Sache der Wiener Polizei ist", sagt Polizei-Sprecher Reinthaler. Man sei ja selber zuerst anderer Ansicht gewesen.

Hinsichtlich der antisemitischen Parolen sind laut Innenministerium Ermittlungen zur Ausforschung unbekannter Täter wegen des Verdachts der Verhetzung im Gange. Der Staatsanwaltschaft Wien wurde am 12. Dezember 2017 ein diesbezüglicher Anlassbericht übermittelt, heißt es in der Anfragebeantwortung. (Vanessa Gaigg, 14.3.2018)