Frauen in der belgischen Hauptstadt Brüssel können seit vergangener Woche sexuelle Belästigungen per App melden, den Ort genau angeben und sich mit anderen Usern austauschen. Im Präventionsbereich tätige Experten würden ein solches Angebot auch für Österreich durchaus befürworten.

App ermöglicht anonyme Meldung

"Touche pas a ma pote" ("Greif meine Freundin nicht an", "Freundin" ist hier im Sinne von "Kumpel" gemeint) heißt die Anwendung, bei der Frauen, die auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln belästigt werden, per Knopfdruck anonym den Vorfall melden können. Andere registrierte App-Nutzer, die in der Nähe sind, können dann helfen – zum Beispiel als Zeuge.

Hinter der App, die eine ähnliche Anwendung aus Frankreich zum Vorbild hat, stecken eine zivilgesellschaftliche Organisation und die Brüsseler Politikerin Bianca Debaets. Die App sei für ganz Belgien gedacht, der Hauptfokus liege aber auf Brüssel, erklärte sie. Auf Basis der Daten könnten städtische Behörden Maßnahmen ergreifen.

Frauenministerium Österreich

Österreichische App bislang kaum beachtet

Ein eher unbekanntes Dasein ist seit ihrer Einführung vor rund vier Jahren der österreichischen App "fem:HELP" beschieden, die Hilfe im Fall von Gewalt bieten soll, wie Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), am Mittwoch sagte. Die kostenlose Anwendung enthält rasch abrufbare Notrufnummern, ein Verzeichnis an Beratungsstellen und die Möglichkeit zu einer privaten Dokumentation des Vorfalls. "fem:HELP" ist für Android und iOS erhältlich.

"Leider wurde die App bisher kaum beworben und ist noch immer relativ unbekannt", meinte Rösslhumer. Sie könne sich durchaus vorstellen, dass eine App mit Funktionen wie "Touche pas a ma pote" auch in Österreich sinnvoll sein könnte, etwa zur Dokumentation oder bei Gericht. Sie spricht sich für eine Erweiterung bzw. Verbesserung der bestehenden "fem:HELP"-App aus.

International gibt es neben dem belgischen einige Modelle, darunter das von einer indischen Initiative ins Leben gerufene "Safecity" oder "Hands Away" in Frankreich. "Ich glaube aber nicht, dass derzeit bei uns etwas Neues in dieser Richtung geplant ist. Man müsste das anstoßen bei der Frauenministerin, oder eventuell auch beim Bildungsministerium", sagte Rösslhumer. "Und dann wäre da vor allem noch die wichtige Frage: Wie bringt man das an die Frau?"

Kann wichtiger Baustein für Prävention sein

Klaus Priechenfried hat als Leiter des Vereins Neustart, der ehemalige Häftlinge bei der Resozialisierung unterstützt, häufig mit Sexualdelikten und Präventionsarbeit zu tun. Er sieht in einer App nach dem belgischen Vorbild einen wichtigen Baustein zur Prävention von sexueller Gewalt und Belästigung. "Wenn solche Dinge an die Öffentlichkeit kommen, hilft es", betonte er, "auch wenn dadurch vielleicht nicht mehr Täter gefasst werden. Täter bzw. potenzielle Täter werden an die Grenze erinnert, die von allen in der Gesellschaft getragen werden muss."

Durch ein einzelnes Ereignis werde sich nicht viel ändern, es brauche ein stetiges Hinweisen und Öffentlichmachen, dann sei mit der Zeit eine Veränderung merkbar, ist Priechenfried überzeugt. Apps wie "Touche pas a ma pote" könnten dazu beitragen und vermitteln, wo die Gesellschaft ihre Wertelinie zieht: "Ab wann es heißt: 'Wir wollen das nicht'". Von Straferhöhungen hält Priechenfried hingegen nichts: "Niemand überlegt sich vor einem Sexualdelikt, 'wenn ich 36 Monate krieg, dann mach ich's nicht, bei 20 Monaten schon'. Eine Verschärfung wird keinen Fortschritt bringen, da bin ich mir sicher." (APA, 14.03.2018)