Wien – Bei den sich laufend erneuernden Zähnen von Haien oder Rochen ist zum Teil das Erbe der gemeinsamen Vorfahren von Knorpelfischen und Knochenfischen (inklusive den Landwirbeltieren) erhalten geblieben. Zum Teil ist ihr Beißapparat aber auch als modern zu betrachten, weil er sich seitdem in eine eigene Richtung weiterentwickelt hat – nämlich zu einer zusammenhängenden Schneidekante. Das bilanzieren Wiener Forscher in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Anatomy".

In Reihen angeordnete Zähne im hinteren Bereich des Unterkiefers eines Kragenhaies. Rot gefärbt sind knöcherne, blau knorpelige Anteile.
Foto: Jürgen Kriwet

Der Zahnwechsel bei Wirbeltieren ist entweder permanent und wirkt bis an das Lebensende des Tieres wie bei den meisten Fischen. Oder er ist zeitlich stark reduziert wie bei Säugetieren, resultierend in einem einmaligen Wechsel eines Teils der Bezahnung. Bei manchen Tiergruppen wie den Zahnwalen oder bei Beuteltieren fehlt die Zahnerneuerung sogar komplett.

Der Ursprung und die Entstehung von Zähnen und ihre Erneuerung durch Zahnwechsel sind aber nach wie vor nur unzureichend erforscht, da die Interpretation der einzelnen Entwicklungsstadien von Zähnen bei Fossilien schwierig ist. "Um die Entwicklung der Zahnerneuerung in einem evolutiven Kontext zu verstehen, ist es daher wichtig, Knorpelfische als Modellorganismen heranzuziehen", sagt Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie der Universität Wien.

Gebiss zum Schneiden

Bei Knorpelfischen gehen Forscher davon aus, dass diese ursprüngliche Merkmalsausprägungen und Entwicklungsmechanismen bewahrt haben. So haben sie etwa die Möglichkeit einer ständigen Zahnerneuerung von ihren frühesten Verwandten geerbt. Die Zähne heutiger Haie sind hintereinander auf den Kiefern angeordnet und ihr Ersatz erfolgt fließbandartig, sodass ältere, funktionelle Zähne am Kieferrand stehen, während neue Zähne tief innen an den Kiefern gebildet werden.

Regelmäßig angeordnete funktionelle Zähne bilden ein effektives Schneidegebiss, in dem die Zähne oftmals eng miteinander in Verbindung stehen und so eine klingenartige Schneidekante formen. Eine solche Bezahnung, die aus nur einer einzelnen Serie funktioneller Zähne am Kieferrand besteht, stellt eine besondere Anpassung an eine schneidende Ernährungsweise dar.

Gebissmuster von ausgewachsenen Haien und Hai-Embryos.
Foto: Jürgen Kriwet

Die neue Studie zeigt, dass das alternierende Muster der Zahnerneuerung ursprünglich für Knorpelfische gilt. "Wir vermuten, dass dies möglicherweise auch das ursprüngliche Muster der Zahnerneuerung für kiefertragende Wirbeltiere insgesamt war", meint Kriwet. Die spezielle Anordnung der Zähne in eine einzige, schneidende Zahnserie entlang der Kieferränder entstand aber im Lauf der Evolution von Haien durch Modifizierung eines ursprünglichen alternierenden Zahnersatzmusters.

Moderne Haie können einzelne Zahnserien durch Umgestaltung der Zahnproduktion gleichzeitig erneuern. Der Besitz einer einzigen funktionellen Zahnreihe entlang der Kieferränder, die eine zusammenhängende Schneidekante bilden, ist daher laut den Forschern kein ursprüngliches Muster. Vielmehr stelle es eine spezielle Anpassung dar und müsse als evolutionär modern betrachtet werden. (red, 15. 3. 2018)