Hermes Phettberg wohnt mitten in Wien-Gumpendorf. Den Mäusen, die einst mit ihm hausten, schenkte er Schokotorten. Heute sind die Besuchsregeln strenger. Jung und geil muss man sein. Helle Jeans sind Pflicht.

"Ich wohn hier schon seit ziemlich langer Zeit, 1991 oder vielleicht sogar 1981? Seit meinen Schlaganfällen vor zehn Jahren merk ich mir nichts mehr. Da, im Falter steht's, fast 40 Jahre sind es schon, seit 1982! Meine Wohnung ist hoch oben, im dritten Stock, ohne Lift. Dass ich gerade hier in Gumpendorf in der Grabnergasse 16 wohne, ist Zufall. Ich habe die Wohnung über ein Inserat gefunden. Nimm Platz! Du kannst froh sein, dass ich dich überhaupt reingelassen hab, denn sonst dürfen mich nur Jeansboys besuchen. Jeansboys in engen, versauten Bluejeans. Jung und geil wärst du ja, aber das, was du da anhast, sind doch keine Jeans! Das sind nur dunkle Hosen. Jeans müssen hell sein. Je heller, desto geiler.

"Meine Möbel sind fast alle von überall her erbettelt. Ich bin ja ein armer Hund." Hermes Phettberg in seiner vor drei Jahren renovierten Wohnung in Gumpendorf.
Foto: Lisi Specht

Früher sah es hier ganz anders aus. Früher, da waren hier lauter Mäuse. Wir haben uns geliebt! Ich habe jede Woche eine Torte für sie gekauft. Doch die Mäuse haben immer nur das Innere der Torte gegessen, aber keinesfalls, keine Sekunde die Schokoglasur! Die Schokohülle ist immer übriggeblieben, und so sah die Torte auch nach Tagen noch ganz neu aus. Und hier in diesem Zimmer, über den ganzen Raum verteilt, stapelten sich Zeitungen und Ausdrucke meiner Gestionen.

Doch dann, 2015, wurde meine Wohnung renoviert und grundgereinigt. Jetzt ist alles vorbei. Siebenmal war der Kammerjäger da, aber es hat nichts genutzt. Erst ein spezieller Getreideköder aus der Drogerie hat die Mäuse besiegt. Die Wohnung ist seitdem so leer, so sauber, dass ich am Anfang eine einzige Depression war. Jetzt geht's wieder. Ich bin hier sehr glücklich. Ich schau aus dem Fenster raus, das Sonnenlicht strahlt auf die Rauchfänge, alles ist gut.

Fotos: Lisi Specht

Du fragst, warum ich glücklich bin hier? Ganz einfach! Weil ich hier Stufen steigen muss, zumindest einmal am Tag, na ja, zumindest einmal in der Woche. Das ist mein Minimum an Bewegung. Die ersten beiden Stockwerke schaff ich gerade noch, mühsam, aber es geht. Aber dann brauch ich eine Pause. Und deswegen steht jetzt einer meiner Stühle dort zum Ausrasten, den hab ich vor Jahren einmal von meinem Psychiater geschenkt bekommen. Meine Möbel sind fast alle von überall her erbettelt. Erbettelt! Ich bin ja ein armer Hund. Armin Thurnher hat mir einmal einen schwarzen Roland-Rainer-Stuhl geschenkt. Auf dem hab ich jahrelang all meine Mahlzeiten eingenommen. Doch im Zuge der Renovierungsaktion hat die Firma alle Stühle hinaus auf den Gang gestellt, und dann war er weg.

Fotos: Lisi Specht

Mein Urgroßvater, Ferdinand Zauner, war Tischler und Sargmacher. Von ihm stammen die weißen Holzstühle da drüben. Und mein Onkel und meine Tante hatten eine Tischlerei und ein Möbelgeschäft in Retz, wo sie mir einen Kasten nach meinen Vorstellungen anfertigten. Und dann gibt es noch den Leibstuhl der Mama, auf dem ich jetzt jeden Tag sitze. Der stammt auch aus der Tischlerei Zottl. Mein Lieblingsstuhl zum Benutzen ist aber der Folterstuhl im Zimmer nebenan. Das ist ein alter Sadomaso-Stuhl, den mir das Smartcafé geschenkt hat. Hier sitze ich und diktiere meiner Freundin Sir Eze meine Texte.

Fotos: Lisi Specht

Die Schreibmaschine neben dem Fenster, die hab ich gestohlen. Das war in der Pfarre Maria Lourdes in Meidling, als ich noch Pastoralassistent war. Tschuldige, Jesus! Verzeihung, Verzeihung, Verzeihung! Doch dafür hab ich schon in die Zukunft investiert. Ich hab mir ein Armengrab gekauft, das von meinem Freund Ewald Penz, am Zentralfriedhof. Da werden wir dann das nächste Wohngespräch machen – und wehe, du kommst nicht in hellen Bluejeans!" (Protokoll: Wojciech Czaja, 19.3.2018)