Am Sonntag wird in Russland Wladimir Putin zum Präsidenten wiedergewählt.

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Moskau – Auf den ersten Blick scheint es paradox: Im Ausland hat Russlands Präsident Wladimir Putin in den vergangenen Jahren seine zweifelhafte Rolle als Bösewicht der Weltpolitik gefestigt. In Russland selbst genießt Putin bei vielen Bürgern freilich eine Wertschätzung, die bisweilen an Heldenverehrung grenzt.

Mit Machtbewusstsein und einer gehörige Portion Skrupellosigkeit hat Putin sein Land auf die Weltbühne zurückgeführt. Profilierung durch Provokation – bei vielen Russen kommt das gut an.

Die Krim-Annexion, der Syrien-Krieg, der Giftanschlag von Salisbury: Putins Fans daheim in Russland sehen darin keine außenpolitischen Störmanöver aus Moskau, sondern ein Zeichen für die neue Stärke Russlands.

Der unabhängige Moskauer Politikexperte Konstantin Kalatschew hat eine Erklärung für das Phänomen Putin. Vielen Russen imponiere, wie machtbewusst der Kreml-Chef dem Westen mit seinen Schachzügen Sorge bereite: "Wenn sie dich fürchten, heißt das, dass sie dich respektieren" – so sehen es nach Kalatschews Einschätzung viele Russen. "Dass Putin der Hauptfeind des Westens ist, bedeutet gleichzeitig seine Anerkennung als Politiker ersten Ranges."

Sicherer Sieg

Viele Russen sähen Putin als den Mann, "der Russland wieder auf die Beine gebracht hat, der die Armee und Verteidigung wieder gestärkt hat", sagt Kalatschew. Den schmerzhaften Bedeutungsverlust nach dem Zerfall der Sowjetunion konnte Putin so zum Teil wieder wettmachen.

Wenn sich der Präsident am Sonntag zur Wiederwahl stellt, ist ihm der Sieg sicher. Nach einer Erhebung des staatlich kontrollierten Umfrage-Instituts VTsIOM kann der Präsident mit 70 Prozent der Stimmen rechnen. Für seine Kritiker liegt das freilich auch an Putins Kontrolle über die russischen Medien und der Einschränkung der freiheitlichen Rechte während seiner 18 Jahre an der Macht.

Putins Ruf im Ausland hat durch die Rolle Russlands im Ukrainekonflikt gelitten, wegen der die USA und die EU 2014 Sanktionen verhängten. Für Kritik sorgt zudem die militärische Unterstützung von Syriens Machthaber Bashar al-Assad. Das Dopingsystem im russischen Sport, das zum Ausschluss des Landes von den Olympischen Spielen in Pyeongchang führte, hat nicht geholfen, die Popularität des Präsidenten im Ausland zu erhöhen.

Stachel im Fleisch

Wie tief die Enttäuschung des Westens über Putin ist, war in dieser Woche den Worten der britischen Premierministerin Theresa May zu entnehmen. "Wir hatten uns bessere Beziehungen gewünscht, und es ist tragisch, dass Präsident Putin nun diesen Weg gewählt hat", sagte sie, als sie Sanktionen gegen Russland als Vergeltung für den Giftanschlag verkündete.

Für Putin und seine Anhänger sind solche Reibereien nur ein Beweis dafür, dass die Idee eines starken Russlands die westlichen Mächte stört. Putin als Stachel im Fleisch des Westens – in dieser Rolle gefällt sich der Präsident.

Im Ausland verbreitet Putin Furcht, zu Hause weiß er sie auszunutzen. Viele Leute sehnen sich in Russland nach Stabilität, sagt Politanalyst Kalatschew. "Putin ist ein Spiegel, und jeder sieht in ihm das, was er sich wünscht."

Vor der letzten Wahl im Jahr 2012 hatte Putin den Menschen ein besseres alltägliches Leben versprochen. Seine dritte Amtszeit war allerdings von einer wirtschaftlichen Rezession und sinkenden Lebensstandards gekennzeichnet.

Doch gibt es für Oppositionsführer Alexej Nawalny, dem eine Kandidatur wegen einer umstrittenen früheren Verurteilung untersagt ist, bei der Wahl am Sonntag keine echte Alternative. Auf dem Land "sagen sich die Leute, es gibt niemanden außer Putin", erklärte Nawalny der AFP. Also würden sie für Putin stimmen. (AFP, 16.3.2018)