Leipzig – Der Literaturbetrieb hat nach der Einschätzung des Verbands Bücherfrauen ein Sexismus-Problem. "Auf jeden Fall haben wir in der Buchbranche ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen", sagte die Vorsitzende Jana Stahl der Deutschen Presse-Agentur auf der Leipziger Buchmesse. "Unsere Mitgliederinnen haben uns geschildert, dass dieses Machtgefälle teilweise auch ausgenutzt wird."

"Da ging es vom unerwünschten Körperkontakt – da sind so Sachen gemeint wie ein sehr ausgedehnter Händedruck, der nicht mehr dem normalen entspricht, bis zum Po-Grapscher – über verbale Anzüglichkeiten bis hin zu sexuellen Andeutungen und zur Nötigung", sagte Stahl.

Die Bücherfrauen sind ein Netzwerk für Frauen aus Buchhandel, Verlagen, Agenturen und anderen Bereichen des Literaturbetriebs. In einer internen Umfrage unter den rund 1000 Verbandsangehörigen meldeten sich demnach etwa 10 Prozent mit Erfahrungen zu sexueller Belästigung zu Wort.

"Ein bisschen netter sein"

Auch die Bestseller-Autorin Nina George ("Das Lavendelzimmer") kennt solche Geschichten. "Ich habe eine Kollegin, sehr klug, sehr gut aussehend, die gerät bisweilen in Situationen, wo ihr etwa ein Verleger sagt, sie solle ein bisschen netter zu ihm sein – das würde ihr schon etwas bringen."

Gleichzeitig kritisiert George die fehlende Repräsentation von Autorinnen in den Medien. Die 44-Jährige, die dem Präsidium des Schriftstellerverbands PEN-Zentrum Deutschland angehört, arbeitet mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock an einer Pilotstudie zur Sichtbarkeit von Frauen. Dabei wird ausgezählt, wie das Geschlechterverhältnis bei Literatur-Rezensionen in 83 Zeitungen, Zeitschriften, TV- und Radiobeiträgen ist.

"Nur etwa 25 Prozent der Besprechungen waren bisher über Autorinnen", sagte George. Das sei ein Strukturproblem, das sich auch durch andere Bereiche des Literaturbetriebs ziehe – etwa durch Verlagsprogramme, Podiumsdiskussionen oder Bestsellerlisten. "Ich habe in einem Jahr mal die Literaturpreise gezählt. Bei den etwa 150 wichtigen, hoch dotierten Preisen gewannen Autoren rund fünfmal häufiger als Autorinnen." Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels führt nach Angaben einer Sprecherin keine Statistik zum Geschlechterverhältnis der deutschen Autoren.

Weniger Frauen auf Longlist

Am Donnerstag wurde Esther Kinsky ("Hain") mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Seit 2005 ist sie die vierte Preisträgerin. Im selben Zeitraum haben zehn Autoren den Preis gewonnen. Der Deutsche Buchpreis, der jährlich auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wird, ging seit 2005 sechsmal an Frauen und siebenmal an Männer. Die Journalistin und Autorin Dana Buchzik hat allerdings schon 2014 kritisiert, dass auf der Longlist in zehn Buchpreisjahren stets deutlich weniger Frauen standen. Dabei sei auch die Longlist ein "sehr ernst genommenes Marketinginstrument".

Isabel Fargo Cole, die in diesem Jahr ebenfalls für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass sie bisher keine Erfahrungen mit Sexismus gemacht habe. "Meine persönliche Erfahrung ist nicht, dass ich benachteiligt wurde. Mir haben Männer und Frauen geholfen im Betrieb." Trotzdem wolle sie "nicht leugnen, dass sicher andere Leute andere Erfahrungen haben."

Cole findet es wichtig, dass man über Geschlechter-Ungerechtigkeit im Literaturbetrieb redet. Gleichzeitig könne es aber auch "kontraproduktiv sein, wenn man Frauen immer suggeriert, sie würden auf jeden Fall diskriminiert werden", sagte sie. "Wenn man Frauen ermutigen will, ins Literaturleben zu treten, könnte dieser Fokus auf das Negative auch nach hinten losgehen." (APA, 16.3.2018)