Kendra Smith und David Roback zur Zeit ihrer Band Opal. Ihr Album "Happy Nightmare Baby" gibt es immer noch zu entdecken.

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Nach 1995 herrschte Funkstille. Infos über ihren Verbleib gab es keine. Ein paar Jahre später, im Netz, hieß es, sie lebe zurückgezogen in den Wäldern Kaliforniens; selbst befreundete Musiker wussten nicht mehr. Letztes Jahr aber, da bekam sie ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte.

Steve Wynn bat Kendra Smith um einen Song für die Reunion von Dream Syndicate. Am besten sollte sie ihn schreiben und singen. Hat sie getan.

Kendra Smith war schließlich ein Gründungsmitglied der legendären Paisley-Underground-Band. Für das 2017 erschienene Comeback "How Did I Find Myself Here?" kam sie aus der freiwilligen Versenkung, schrieb und sang den Song "Kendra's Dream". Bei einem Konzert in L. A. betrat sie nach über 20 Jahren wieder die Bühne: Es gibt sie also noch, wie schön.

Schöne Regentage

Kendra Smith verließ Dream Syndicate nach dem ersten Album "Days Of Wine And Roses". Das war 1984. In der Zeit erschien ein anderes hübsches Album, an dem sie beteiligt war. Unter dem Namen Rainy Day fanden Freundinnen und Freunde aus dem Paisley Underground zu einer sogenannten Supergroup zusammen und coverten Songs aus den Sixties und frühen Seventies: Big Star, Neil Young, die Beach Boys ... – durchaus ein Kandidat für diesen Blog. Hier ein Zuckerl mit Susanna Hoffs von den Bangles, die Bob Dylan interpretiert.

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Zum Paisley Underground zählten Gruppen wie Rain Parade, Dream Syndicate, die frühen Green On Red und ein paar mehr. Das waren Bands, die unter dem Eindruck des Punk gegründet worden waren, aber ihre Liebe für die Sixties-Musik nicht leugneten. Sie versuchten beides unter einen Hut zu bringen: progressive Traditionalisten.

Ebenfalls 1984 gründete Smith mit David Roback die Band Opal. Die vertrödelte die ersten paar Jahre mit Singles und EPs, bevor 1987 "Happy Nightmare Baby" erschien: ein Monster! Wieder blieb Smith nur ein Album lang, nach ihrem Abgang benannte Roback die Band um, suchte eine neue Sängerin und machte mit Mazzy Star Weltkarriere.

Das Meisterwerk in seinem Katalog bleibt aber "Happy Nightmare Baby". Das erschien damals auf SST Records. Das Label des Black-Flag-Gründers Greg Ginn war eine seltsame Wahl. Schließlich hatte die Musik von Opal nichts mit dem gitarrengetriebenen, langhaarigen Hardcore zu tun, für den das Label in erster Linie bekannt war: Black Flag, Dinosaur, Hüsker Dü, Sonic Youth … die Abteilung.

Doors statt Rollins

Opal waren anders. Bleiche Wesen in schwarzen Gewändern waren nicht gerade typisch SST, sind nicht gerade typisch Kalifornien. Und dann erst die Musik: Die orgellastige Psychedelic von Opal hatte mehr mit den Doors gemeinsam als mit Henry Rollins' schweißtreibendem Gebell.

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In diesen abgebremsten Songs stand Roback oft mit beiden Beinen am Wah-Wah-Pedal. Smith' herber, oft mit Nico (The Velvet Underground) verglichener Gesang versorgte die Lieder mit einer lakonischen Entrücktheit.

Im Sinne der Verwertbarkeit setzte sich die Band damit zwischen alle Stühle ihrer Zeit. So etwas spielte damals niemand, die hippiemäßige Ästhetik auf der Rückseite des Covers erschien in den Stürmen des Postpunk wie aus der Zeit gefallen.

C. B.

Im an Seltsamkeiten reichen Katalog von SST (Zoogz Rift, Slovenly, Würm, Angst …) war Opal buchstäblich ein Edelstein. Zugute kam dem Album, dass es nicht von Spot alias Glen Lockett produziert worden war. Der war der Hausproduzent des Labels und vergaß gern einmal auf die Bässe und produzierte routiniert wie am Fließband.

Zauberkraft aus der Hölle

Bei Opal legte David Roback selbst Hand an. Er leuchtete alle Höhen und Tiefen der Songs aus, verwendete vom Zeitgeist verbotenes Gerät wie Bongos und war mutig genug, das ursprünglich als semiakustisches Projekt angedachte Unternehmen Opal doch hochzufahren und ihm damit ordentlich Power zu verpassen: "Magick Power", wie es der gleichnamige Song belegt – in Anspielung auf den Satanisten Aleister Crowley mit "k" in der "Magick".

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Aus dem Synthie drücken Roback oder Smith ein paar Streicher, die meisten Songs bleiben im Midtempo, erblühen dort, bleiben aber lichtscheu. Etwas ähnliches in gleicher Qualität ist nicht wieder aufgetaucht. Einzig Black Mountain erinnern stellenweise an Opal, kommen aber mit ihrer Black-Sabbath-Breitseite aus einem ganz anderen Eck.

Vergessene Meisterwerke

Heute scheint das Album hin und wieder in der Liste der "328 vergessen Meisterwerke" oder dergleichen auf. Es wurde nie neu aufgelegt, ob sich Roback im Nachhinein je dazu geäußert hat, ist mir nicht bekannt.

1989 erschien eine Kompilation von "Early Recordings". Zu der Zeit tourte Robach bereits mit Hope Sandoval als Smith-Ersatz. "Early Recordings", eine nette Songsammlung, die aber nicht die Klasse von "Happy Nightmare ..." erreicht. Immerhin ein hübscher Song ist drauf: "Empty Box Blues", davon gibt es sogar ein Video mit Smith und Roback.

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Während Roback mit Mazzy Star Dream Pop und Shoegazing mit Schmollgesang versah und damit weltberühmt wurde, irrlichterte Smith durch immer seltsamer werdende Veröffentlichungen. Darunter befand sich eine Split-Single mit Red-Hot-Chili-Peppers Hillel Slovak. Der war damals schon zwei Jahre lang tot.

1992 veröffentlichte sie die obskure 10 Inch "Kendra Smith – Presents The Guild Of Temporal Adventurers". Das Cover erinnerte an Sektentum, an Okkultismus und ähnliches Zeugs. Darauf covert sie unter anderem "She Brings The Rain" von Can. Nach einer kommerziellen Karriere hörte sich das nicht an, eher nach persönlicher Obsession mit charmanten Ergebnissen. Denn wenn das eine oder andere Lied auch ein wenig durch den Wind erschien, am Ende brachte Smith ihre Babys doch auf den Boden.

Joy-Division-Würdigung

1995 hätte ihr Jahr werden können. Damals nahm sie für das ewig angesagte Label 4AD ihr Soloalbum "Five Ways Of Disappearing" auf. 4AD stand nach dem Welterfolg der Pixies hoch im Kurs und war über einen Deal mit Elektra in die USA expandiert. Smith stand zudem mit ihrer Musik in Tradition von This Mortal Coil, einer Supergroup von 4AD, es schien alles auf Schiene zu sein.

Auf das Album folgten eine Tour und Kritikerlob – aber es floppte. Im selben Jahr beteiligte Smith sich an der Joy-Division-Würdigung "A Means To An End". So hieß ein Doppelalbum von Undergroundbands, die Joy-Divison-Songs covern, Smith nahm sich "Heart And Soul" vor.

Clear Vizzion

Das war's dann. Der Titel ihres Soloalbums erwies sich als Prophezeiung. Nach "Five Ways Of Disappearing" verschwand Kendra Smith von der Bildfläche. Steve Wynn vom Dream Syndicate hielt all die Jahre Kontakt mit ihr, aber nur per E-Mail. Sagt er. Wo sie lebt, was sie macht, bleibt auch nach ihrer Wiederkehr im Vorjahr im Dunkeln. Wahrscheinlich irgendwas mit Einhörnern. Magick Power! (Karl Fluch, 20.3.2018)