Wien – Die Niederlage Österreichs gegenüber der EU-Kommission hatte sich abgezeichnet: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Österreich wegen der Direktvergabe öffentlicher Aufträge für Ausweise und amtliche Dokumente an die im Jahr 2000 privatisierte Staatsdruckerei verurteilt. Österreich habe Dienstleistungsaufträge über die Herstellung von Reisepässen (mit Chips), Notpässen, Aufenthaltstiteln, Personalausweisen, Führerscheinen im Scheckkartenformat und Zulassungsbescheinigungen im Chipkartenformat ohne EU-weite Ausschreibung vergeben und damit gegen EU-Recht verstoßen.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sagte in einer ersten Reaktion wohl die Durchführung EU-weiter Ausschreibungen zu, kritisierte das Urteil aber. Der EuGH gewichte Sicherheitsinteressen niedriger als Interessen des Wettbewerbs. "Zur Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen" sei die Vergabe an die Staatsdruckerei gerechtfertigt gewesen, ließ Kickl via Aussendung mit Verweis auf Gefahr durch internationalen Terror und "reisende Täter" wie Foreign Terrorist-Fighters wissen. Künftige Vergaben knüpft der Minister an Auflagen: Um "die Sicherheit der Dokumente zu gewährleisten", werde es strenge Anforderungen an Dienstleister hinsichtlich behördlicher Kontrollbefugnisse geben. Produktion und Datenverarbeitung müssten in Österreich stattfinden, und involvierte Mitarbeiter seien Sicherheitsüberprüfungen zu unterziehen. Auch sollen personenbezogene Daten künftig nicht über ausländische Server laufen dürfen.

Vergaberecht entspricht nicht EU-Richtlinien

So einfach sind Einschränkungen bei Anbietern oder Angeboten freilich nicht durchzubringen. Selbst das geltende österreichische Vergaberecht, das novelliert werden muss, weil es ebenfalls nicht den EU-Richtlinien entspricht, erlaubt Auflagen lediglich hinsichtlich klar definierter Sicherheitsanforderungen. Druck und Produktion ausschließlich auf österreichischem Staatsgebiet – "das geht sicher nicht", wenden Vergaberechtsexperten ein. Sonst wären Konkurrenten im Binnenmarkt wie Giesecke+Devrient in München ja von vornherein ausgeschlossen.

Dass eine EU-weite Ausschreibung nicht den Untergang des Abendlandes bedeutet, zeigt die 2018 vom Verkehrsministerium durchgeführte Auftragsvergabe über Papierdokumente für Straßen- und Schiffsverkehr sowie Befähigungsnachweise gemäß Schiffsverkehrsordnung (im Scheckkartenformat): Der Auftrag ging an die Staatsdruckerei (OeSD), sie setzte sich gegen alle Mitbewerber durch. Ungeachtet dessen teilte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) mit: "Jetzt bedarf es rascher Maßnahmen zur weiteren Gewährleistung der Sicherheit in diesem Bereich."

Laufende Verträge bleiben unberührt

Verträge wie der aus dem Jahr 2009 stammende und bis 2020 laufende Vertrag von Verkehrsministerium und OeSD über die Lieferung von Zulassungskarten im Volumen von 5,6 Millionen Euro bleiben vorerst unberührt. Allerdings lässt das Verkehrsministerium von der Finanzprokuratur alle prüfen. Demonstrativ gelassen reagierte die OeSD auf das EuGH-Urteil: "Wir haben in den letzten beiden Jahren Identitätsdokumente und -systeme in über 25 Länder verkauft", betonte Geschäftsführer Lukas Praml.

Mit Exklusivverträgen von Ministerien, Magistraten und Bezirkshauptmannschaften mit der privatisierten OeSD ist es nach dem Urteil definitiv vorbei. Sie waren von der Regierung stets mit Artikel 14 EU-Vergaberichtlinie legitimiert worden, der von Ausschreibungspflicht exkulpiert, wenn ein Auftrag als "geheim" deklariert ist. Ein Friedensangebot der EU-Kommission aus dem Jahr 2012, wonach Reisepässe und Personalausweise weiterhin geheim und direkt vergeben werden könnten, schlug die Republik aus.

Wie zur Untermauerung der Geschäftsbeziehungen gab es personell zeitweise engste Bande zum Innenministerium. Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) und seine engsten Mitarbeiter standen jahrelang im Sold der OeSD. (ung, 20.3.2018)